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An den verlornen Schlaf

Von

Wo bist du hin, du Tröster in Beschwerde,
Mein güldner Schlaf?
An dem ich sonst die Größesten der Erde
Weit übertraf.
Du hast mich oft an Wassern und an Büschen
Sanft übereilt,
Und konntest mich mit beßrer Rast erfrischen,
Als mir vorjetzt der weiche Pfühl ertheilt.

Allein bedeckt vom himmlischen Gewölbe
Schlief ich dann ein.
Die stolze Thems, die Saal und Hamburgs Elbe
Kann Zeugin sein.
Dort hab′ ich oft, in längstvergrünten Jahren,
Mich hingelegt,
Und hoffnungsreich, in Sorgen unerfahren,
Der freien Ruh′ um ihren Strand gepflegt.

Wie säuselten die Lüfte so gelinde
Zu jener Ruh′!
Wie spielten mir die Wellen und die Winde
Den Schlummer zu!
Mich störte nicht der Ehrsucht reger Kummer,
Der vielen droht;
Ich war, vertieft im angenehmsten Schlummer,
Für alle Welt, nur nicht für Phyllis, todt.

Sie eilte dort, in jugendlichen Träumen,
Mir immer nach;
Bald in der Flur, bald unter hohen Bäumen,
Bald an dem Bach.
Oft stolz im Putz, oft leicht im Schäferkleide,
Mit offner Brust,
Stets lächelnd hold im Ueberfluß der Freude:
Schön von Gestalt, noch schöner durch die Lust.

Mein alter Freund, mein Schlaf, erscheine wieder!
Wie wünsch ich dich!
Du Sohn der Nacht, o breite dein Gefieder
Auch über mich!
Verlaß dafür den Wuchrer, ihn zu strafen,
Den Trug ergötzt:
Hingegen laß den wachen Codrus schlafen,
Der immer reimt und immer übersetzt.

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Gedicht: An den verlornen Schlaf von Friedrich von Hagedorn

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An den verlornen Schlaf“ von Friedrich von Hagedorn ist eine elegische Klage über den Verlust des Schlafs und der damit verbundenen Ruhe und Unbeschwertheit. Der Dichter trauert um die Zeiten, in denen er, beschützt durch den Schlaf, die Sorgen der Welt vergessen konnte und die Freuden der Natur ungetrübt genießen durfte. Die Sehnsucht nach der verlorenen Idylle durchzieht das gesamte Gedicht und manifestiert sich in der direkten Anrede an den Schlaf als „Tröster in Beschwerde“ und „güldner Schlaf“.

Die Natur wird in der ersten Hälfte des Gedichts als Ort der Ruhe und Erholung dargestellt. Der Dichter beschreibt, wie er an Flüssen und unter Büschen friedlich einschlief, begleitet vom sanften Säuseln der Lüfte und dem Spiel der Wellen. Diese Naturbilder dienen als Kontrast zur späteren Unruhe und den Sorgen, die den Dichter nun quälen. Die Nennung bedeutender Flüsse wie Themse, Saal und Elbe unterstreicht die weite Verbreitung der Erinnerungen und die tiefe Verwurzelung des Dichters in dieser verlorenen Vergangenheit.

In der zweiten Hälfte des Gedichts wird die Figur der Phyllis eingeführt, die als Verkörperung der jugendlichen Liebe und Freude dient. Phyllis, stets von Glück erfüllt und strahlend schön, scheint den Dichter in seinen Träumen zu verfolgen. Gleichzeitig deutet die Erwähnung der „Ehrsucht“ und des „Kummers“ auf die zunehmende Belastung durch die Welt, die dem Dichter den Schlaf raubt. Die „Jugendlichen Träume“, die Phyllis begleitet, stehen dabei im Widerspruch zu der nun herrschenden Tristesse.

Im abschließenden Teil richtet sich der Dichter erneut an den Schlaf und bittet ihn, zurückzukehren. Er sehnt sich nach der verlorenen Geborgenheit und möchte dem Wandel der Welt entfliehen. Durch die Bitte, den „Wuchrer“ zu strafen und den „wachen Codrus“ schlafen zu lassen, deutet Hagedorn auf die Ungerechtigkeit und die rastlose Geschäftigkeit der Welt, denen er sich entziehen möchte. Die abschließenden Verse sind ein Aufruf an den Schlaf, die Mühen des Lebens zu lindern und dem Dichter seine verlorene Ruhe wiederzugeben.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.