Abenteuer & Reisen, Angst, Chaos, Frieden, Gedanken, Götter, Heimat & Identität, Herbst, Herzschmerz, Himmel & Wolken, Leichtigkeit, Leidenschaft, Verbundenheit, Wagnisse, Wälder & Bäume
Am Moor (2.Fassung)
Mantel im schwarzen Wind. Leise flüstert das dürre Rohr
In der Stille des Moors; am grauen Himmel
Ein Zug von wilden Vögeln folgt;
Quere über finsteren Wassern.
Knöchern gleiten die Hände durch kahle Birken,
Knickt der Schritt in braunes Gehölz,
Wo zu sterben ein einsames Tier wohnt.
Aufruhr. In verfallener Hütte
Flattert mit schwarzen Flügeln ein gefallener Engel,
Schatten der Wolke; und der Wahnsinn des Baums;
Schrei der Elster. Altes Weiblein kreuzt den Weg
Ins Dorf. Unter schwarzem Geäst
O was bannt mit Fluch und Feuer den Schritt
Stummes Glockengeläut; Nähe des Schnees.
Sturm. Der dunkle Geist der Fäulnis im Moor
Und die Schwermut grasender Herden.
Schweigend jagt
Den Himmel mit zerbrochnen Masten die Nacht.
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Am Moor (2. Fassung)“ von Georg Trakl entwirft ein beklemmendes Bild einer unwirtlichen, von Verfall und Melancholie geprägten Landschaft, in der menschliches Leben durch Einsamkeit und Tod geprägt ist. Die Natur, insbesondere das Moor mit seiner Stille und Dunkelheit, wird als Spiegel der inneren Befindlichkeit des lyrischen Ichs dargestellt. Die Elemente des Gedichts, wie der „schwarze Wind“, das „dürre Rohr“ und die „finsteren Wassern“, erzeugen eine Atmosphäre der Trostlosigkeit und des Unbehagens.
Die Verse sind geprägt von einer fragmentarischen Sprache und einer Reihe von Bildern, die auf Zerstörung und Verfall hinweisen. Der „gefallene Engel“, der in einer verfallenen Hütte flattert, symbolisiert den Verlust von Unschuld und Reinheit. Die „knöchernen Hände“ und der „braunes Gehölz“ deuten auf den Kreislauf von Leben und Tod hin. Der „Wahnsinn des Baums“ und der „Schrei der Elster“ fügen dem Bild eine Note von Wahnsinn und Chaos hinzu. Die sich wiederholenden Motive des schwarzen Windes und der Dunkelheit verstärken das Gefühl der Hoffnungslosigkeit.
Die zweite Hälfte des Gedichts intensiviert die düstere Stimmung. Das „alte Weiblein“, das den Weg kreuzt, könnte eine Todesbotin darstellen, die den Tod ankündigt. Der „Fluch und Feuer“ und das „stumme Glockengeläut“ erzeugen eine Atmosphäre des Verfalls und der religiösen Verlassenheit. Die „Nähe des Schnees“ signalisiert den bevorstehenden Tod und die Kälte der Welt. Das Gedicht gipfelt in einem „Sturm“, der die Nacht mit „zerbrochnen Masten“ jagt, was die Zerstörung und den Untergang noch einmal betont.
Trakls Gedicht ist eine eindringliche Reflexion über die menschliche Existenz im Angesicht des Todes und der Verzweiflung. Die Verwendung von dunklen Bildern, fragmentarischer Sprache und einer beklemmenden Atmosphäre erzeugt ein Gefühl der Isolation und des Verlustes. Das Moor, als Schauplatz des Gedichts, wird zum Symbol für die innere Leere und die Zerstörung, die sowohl die äußere Welt als auch das menschliche Innenleben beherrschen. Es ist ein düsteres, aber eindrucksvolles Gedicht über die Vergänglichkeit und die Tragik des Lebens.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.