Am Geburtstage
Es heißt wohl: Vierzig Jahr ein Mann!
Doch Vierzig fängt die Fünfzig an.
Es liegt die frische Morgenzeit
Im Dunkel unter mir so weit,
Daß ich erschrecke, wenn ein Strahl
In diese Tiefe fällt einmal.
Schon weht ein Lüftlein von der Gruft,
Das bringt den Herbst-Resedaduft.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Am Geburtstage“ von Theodor Storm ist eine kurze, melancholische Reflexion über das Älterwerden und die Vergänglichkeit des Lebens, verfasst an einem Geburtstag. Der Dichter blickt auf sein Leben zurück und stellt fest, dass die erreichte Schwelle von vierzig Jahren bereits den Beginn einer neuen Dekade, der Fünfzig, markiert. Dieser Gedanke löst ein Gefühl der Unruhe und des Erschreckens aus.
Das Gedicht ist in zwei kurze Strophen unterteilt, was seine Aussage verdichtet und prägnant macht. In der zweiten Strophe wird die vergangene Lebenszeit als „frische Morgenzeit“ charakterisiert, die nun „im Dunkel unter mir so weit“ liegt. Die Entfernung und die Tiefe, die durch die Worte hervorgerufen werden, deuten auf eine Distanz zur Vergangenheit hin, die den Dichter in Staunen versetzt. Der „Strahl“, der in diese Tiefe fällt, repräsentiert die Erinnerungen, die Gelegenheiten, die noch im Gedächtnis des Dichters erhalten sind.
Die letzten beiden Verse beinhalten eine düstere Naturmetapher, die das nahende Ende versinnbildlicht. Ein „Lüftlein von der Gruft“ deutet den Tod an und symbolisiert, dass die körperliche Endlichkeit unaufhaltsam näher rückt. Der „Herbst-Resedaduft“ ist ein ambivalentes Bild. Einerseits repräsentiert die Reseda den Herbst und somit den Kreislauf von Werden und Vergehen. Andererseits erzeugt der Duft eine melancholische Schönheit, die das Bewusstsein für die eigene Sterblichkeit mit einer gewissen Wehmut verbindet.
Storm gelingt es in diesem kurzen Gedicht, eine komplexe Gefühlslage auszudrücken. Er kombiniert die nüchterne Feststellung des Alters mit der Erkenntnis der Vergänglichkeit und der Ahnung des Todes. Das Gedicht ist ein stilles, introspektives Werk, das den Leser dazu anregt, über die eigene Lebenszeit und deren Endlichkeit nachzudenken. Die Einfachheit der Sprache und die klaren Bilder verleihen der Reflexion eine besondere Eindringlichkeit.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.