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Als der Sohn unsers Kronprinzen…

Von

Mit den vielen andern, Groß und Kleinen,
Klag’ ich schmerzlich Deinen Tod;
Will bei Deinem Sarge satt mich weinen
Und die Augen rot.

Nicht: daß Du Dich nicht, nach Herzensgnüge,
An die holde Mutter schmiegst,
Und daß Du, statt freundlich in der Wiege,
Tot im Sarge liegst, –

Hier ist Vorplatz nur, spät oder frühe
Gehn wir alle weiter ein,
Und es lohnt sich wahrlich nicht der Mühe
Lange hier zu sein,

Nicht: daß Du des Vaters Glanz hienieden
Und sein Königreich nicht sahst,
Und daß Du die Krone, Dir beschieden,
Nicht getragen hast; –

Ach, die Kronen sind nicht ohne Bürden,
Sind nicht ohn Gefahren, Kind!
Und es gibt für Menschenkinder Würden,
Die noch größer sind;

Sondern: daß wir hier ein Land bewohnen,
Wo der Rost das Eisen frißt,
Wo durchhin, um Hütten wie um Thronen,
Alles brechlich ist;

Wo wir hin aufs Ungewisse wandeln,
Und in Nacht und Nebel gehn,
Nur nach Wahn und Schein und Täuschung handeln,
Und das Licht nicht sehn;

Wo im Dunkeln wir uns freun und weinen,
Und rund um uns, rund umher,
Alles, alles, mag es noch so scheinen,
Eitel ist und leer.

O du Land des Wesens und der Wahrheit,
Unvergänglich für und für!
Mich verlangt nach dir und deiner Klarheit;
Mich verlangt nach dir.

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Gedicht: Als der Sohn unsers Kronprinzen... von Matthias Claudius

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Als der Sohn unsers Kronprinzen…“ von Matthias Claudius ist eine tiefgründige Betrachtung über den Tod des Kindes eines Kronprinzen, doch es geht weit über die reine Trauer um einen Verlust hinaus. Der Dichter nutzt den Anlass, um eine allgemeine Lebensphilosophie zu präsentieren, die von Vergänglichkeit, Täuschung und der Sehnsucht nach einer höheren, ewigen Wahrheit geprägt ist. Die unmittelbare Trauer wird durch die Betonung des allgemeinen menschlichen Schicksals relativiert.

Die ersten Strophen drücken zunächst die übliche Trauer aus, die von Schmerz und Weinen geprägt ist. Doch schon hier werden die Ursachen des Schmerzes hinterfragt. Claudius stellt fest, dass der eigentliche Grund für die Trauer nicht das frühe Ableben des Kindes ist, sondern die Erkenntnis über die allgemeine Unbeständigkeit des irdischen Lebens. Der Dichter betont, dass der Tod eine unvermeidliche Realität ist, die alle Menschen betrifft, unabhängig von ihrer sozialen Stellung. Die Metapher des „Vorplatzes“ deutet an, dass das irdische Leben nur eine kurze Vorbereitung auf eine transzendente Existenz ist.

In den folgenden Strophen wird die Kritik an den irdischen Werten, wie Reichtum, Macht und Ruhm, noch deutlicher. Claudius relativiert die Bedeutung von Kronen und Königreich und betont, dass es „Würden“ gibt, die noch größer sind als diese vergänglichen irdischen Güter. Diese „Würden“ sind im Wesentlichen auf geistiger oder spiritueller Ebene zu finden, was auf eine Hinwendung zu einem höheren Ideal hindeutet. Die zentrale Metapher ist hier das „Land des Wesens und der Wahrheit“, das im Kontrast zur Vergänglichkeit der irdischen Welt steht.

Die letzten Strophen sind von einer tiefen Melancholie und Sehnsucht nach einer anderen, besseren Welt geprägt. Claudius beschreibt die Welt als einen Ort, an dem „der Rost das Eisen frißt“, wo alles „brechlich ist“ und wo Menschen sich in „Nacht und Nebel“ verirren. Die Betonung von „Wahn und Schein und Täuschung“ unterstreicht die Flüchtigkeit und Nichtigkeit des irdischen Lebens. Die wiederholte Verwendung des Wortes „alles“ in Verbindung mit „Eitel ist und leer“ verstärkt das Gefühl der Leere und Sinnlosigkeit, die Claudius in der irdischen Welt wahrnimmt. Die Sehnsucht des Dichters nach der „Klarheit“ des „Landes des Wesens und der Wahrheit“ wird am Ende durch die wiederholte Zeile „Mich verlangt nach dir“ ausdrucksstark zum Ausdruck gebracht.

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.