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Alle bey Gott, die sich lieben

Von

Mündlich.

Es hatt′ ein Herr ein Töchterlein,
Mit Nahmen hieß es Annelein,
Ein Herrn wollt man ihr geben,
Frau Markgräfin sollte es werden.

Ach Vater ich nehm noch keinen Mann,
Ich bin nicht älter dann elf Jahr,
Ich bin ein Kind und sterb fürwahr.

Es stund nicht an ein halbes Jahr,
Das Fräulein mit dem Kinde ging,
Sie bat ihren Herrn im Guten,
Er sollt jezt holen ihre Mutter.

Und als er in den finstern Wald einritt,
Ihm seine Schwieger entgegen schritt:
»Wo habt ihr dann euer Fräulein?«

Mein Fräulein liegt in großer Noth,
Fürcht, wenn wir kommen, sei sie schon todt;
Mein Fräulein liegt in Ehren
Ein Kind soll sie gebähren.

Und als er über die Heide ritt,
Ein Hirtlein hört er pfeifen,
Ein Glöcklein hört er läuten.

Ei Hirtlein, liebes Hirtlein mein,
Was läutet man im Klösterlein,
Läutet man um die Vesperzeit,
Oder läutet man um eine Todten Leich?

Man läutet um eine Todten Leich!
Es ist dem jungen Markgrafen
Sein Fräulein mit dem Kind entschlafen.

Und als er zu dem Thor einritt,
Und als er in den Hof einritt,
Drei Lichter sieht er brennen,
Drei Schüler Knaben singen.

Und als er in die Stube kam
Sein Fräulein in der Bahre lag,
Das Kindlein in ihren Armen lag.

Er küßt sie an ihren bleichen Mund,
Jezt bist du todt und nimmer gesund.
Er küßt sein Kindlein an ihrem Arm,
Das Gott erbarm, das Gott erbarm.

Die Mutter die war ganz allein,
Die sezt sich an ein harten Stein,
Vor Leid brach ihr das Herz entzwei.

Da zog er aus sein glitzerich Schwerd,
Und stachs sich selber durch sein Herz:
Er sprach, ists nicht ein Straf von Gott,
Vier Leichen in eines Fürsten Schloß.

Es stand nicht länger als drei Tag,
Drei Lilien wuchsen auf des Fräuleins Grab,
Die erste weiß, die andre schwarz.

Die schwarz dem kleinen Kindlein war,
Weil es noch nicht getaufet war;
Auf der dritten war wohl geschrieben:
Sie sind all bei Gott, die sich lieben.

Den Herrn, den gräbt man wieder aus,
Legt ihn zum Annelein ins Gotteshaus,
Da liegen vier Leichen zusammen,
Das Gott erbarme. Amen!

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Gedicht: Alle bey Gott, die sich lieben von Achim von Arnim

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Alle bey Gott, die sich lieben“ von Achim von Arnim erzählt eine tragische Liebesgeschichte, die von Tod, Leid und der Suche nach Trost geprägt ist. Die Ballade entfaltet sich in einer einfachen, volkstümlichen Sprache, die durch ihre Direktheit und emotionale Intensität besticht. Die Geschichte beginnt mit der Ankündigung einer arrangierten Ehe für das junge Mädchen Annelein, die sich gegen die Heirat wehrt, da sie noch jung ist.

Die Handlung nimmt eine düstere Wendung, als Annelein schwanger wird und stirbt, bevor sie heiraten kann. Ihr Verlobter, der Markgraf, ist untröstlich und nimmt sich aus Verzweiflung das Leben. Die Mutter des Mädchens stirbt ebenfalls vor Kummer. Das Gedicht schildert eindrücklich die tiefe Trauer und das Leid, das durch den frühen Tod und die unglücklichen Umstände ausgelöst wird. Die Szenerie des Gedichts, die von einem finsteren Wald, einer Todenglocke und brennenden Lichtern geprägt ist, verstärkt die beklemmende Atmosphäre.

Die Symbolik spielt eine wesentliche Rolle in der Interpretation. Die drei Lilien, die auf den Gräbern der Liebenden wachsen, stehen für ihre jeweilige Bestimmung: die weiße Lilie für Annelein, die schwarze für das ungetaufte Kind und die dritte, auf der die tröstende Botschaft steht: „Sie sind all bei Gott, die sich lieben“. Die Lilien symbolisieren auch die Unschuld und die Reinheit der Toten sowie die Hoffnung auf Wiedervereinigung im Jenseits. Das Gedicht endet mit der friedvollen Vereinigung der Liebenden im Tod, wo sie in Frieden und Harmonie vereint sind.

Die zentrale Aussage des Gedichts ist die unüberwindbare Kraft der Liebe, die selbst den Tod überdauert. Trotz des frühen Todes und des großen Leids findet das Gedicht einen Hoffnungsschimmer in der Botschaft der göttlichen Liebe und der ewigen Vereinigung der Liebenden. Die Ballade mahnt somit, die Liebe zu ehren und das Leid in der Welt zu sehen, aber gleichzeitig Trost und Hoffnung zu finden.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.