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Ahasver

Von

Ewig bist du Meer und rinnst ins Meer,
Quelle, Wolke, Regen – Ahasver…
Tor, wer um vertane Stunden träumt,
Weiser, wer die Jahre weit versäumt.
Trage so die ewige Last der Erde
Und den Dornenkranz mit Frohgebärde.
Schlägst du deine Welt und dich zusammen,
Aus den Trümmern brechen neue Flammen…
Tod ist nur ein Wort, damit man sich vergißt…
Weh, Sterblicher, daß du unsterblich bist!

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Gedicht: Ahasver von Klabund

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ahasver“ von Klabund zeichnet ein eindrucksvolles Portrait des ewigen Juden, eine Figur, die dazu verdammt ist, ewig zu leben und die Welt zu durchwandern. Es beginnt mit einer Gegenüberstellung von Ewigkeit und Fluss, wobei das Meer als Metapher für die Ewigkeit und der Kreislauf von Wasser als Verkörperung des Lebens und Wandels dienen. Die Wiederholung des Namens „Ahasver“ am Ende der ersten Zeile verstärkt die Vorstellung von Identität und Beständigkeit, trotz aller Veränderungen. Das Gedicht etabliert sofort die zentrale Thematik der Unsterblichkeit und des unaufhörlichen Flusses der Zeit.

Der zweite Teil des Gedichts beleuchtet die menschliche Reaktion auf die ewige Existenz. Die Zeilen „Tor, wer um vertane Stunden träumt, / Weiser, wer die Jahre weit versäumt“ zeigen eine gewisse Philosophie des Lebens, die sich von der Sehnsucht nach der Vergangenheit abwendet und die Akzeptanz des gegenwärtigen Moments betont. Ahasvers Schicksal wird als eine „ewige Last der Erde“ bezeichnet, doch wird er aufgefordert, diese Last „mit Frohgebärde“ zu tragen. Diese ambivalente Haltung deutet auf die Widersprüchlichkeit des ewigen Lebens hin: die Last des Daseins, gepaart mit der Möglichkeit, sich darüber zu erheben.

In der dritten Strophe gipfelt das Gedicht in einer apokalyptischen Vision. Die Zeile „Schlägst du deine Welt und dich zusammen, / Aus den Trümmern brechen neue Flammen…“ deutet auf eine destruktive Kraft, die gleichzeitig schöpferisch ist. Ahasvers Zerstörung seiner Welt und sich selbst führt zum Neubeginn, zu neuen Flammen. Dies könnte als Hinweis auf die zyklische Natur der Existenz interpretiert werden, in der Zerstörung und Wiedergeburt untrennbar miteinander verbunden sind. Das Gedicht suggeriert, dass selbst der Tod nur ein vorübergehender Zustand ist.

Das Gedicht endet mit einer tragischen Pointe: „Weh, Sterblicher, dass du unsterblich bist!“. Die letzten Worte kehren die konventionelle Vorstellung von Tod und Unsterblichkeit um. Der „Sterbliche“ wird hier als jemand bezeichnet, der trotz seiner Unsterblichkeit dem Tod unterworfen ist, da er nie die ersehnte Ruhe und den endgültigen Frieden finden kann. Die Tragik Ahasvers liegt also nicht nur in seinem ewigen Leben, sondern auch in der Unfähigkeit, dem ewigen Fluss der Zeit zu entkommen. Das Gedicht ist somit eine tiefgründige Reflexion über die Unsterblichkeit, die Zeit und die menschliche Sehnsucht nach Erlösung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.