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Advent

Von

Es treibt der Wind im Winterwalde
die Flockenherde wie ein Hirt,
und manche Tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird,

und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin – bereit,
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.

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Gedicht: Advent von Rainer Maria Rilke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Advent“ von Rainer Maria Rilke beschreibt in vier Strophen die Vorbereitung der Natur auf die Adventszeit und deutet eine innere Erwartung auf ein kommendes, besonderes Ereignis an. Die zentrale Metapher ist die der Tanne, die in der winterlichen Natur auf das Weihnachtsfest und die damit verbundene Verwandlung wartet. Die strenge Jahreszeit, dargestellt durch den „Wind im Winterwalde“, bildet dabei den Hintergrund für die stille, erwartungsvolle Haltung der Bäume.

Die erste Strophe stellt die Szenerie dar: Der Wind treibt die Schneeflocken wie eine Herde, was die Natur belebt und gleichzeitig eine gewisse Unruhe vermittelt. Die „Tanne“ wird als Personifizierung eingeführt, die ahnt, dass sie bald „fromm und lichterheilig“ wird. Das Wort „ahnt“ deutet auf ein Gefühl, eine Vorahnung hin, die über das bloße Wissen hinausgeht. Die Tanne ist hier nicht nur ein Baum, sondern ein Lebewesen, das sich auf eine transformative Erfahrung freut. Die zweite Strophe unterstreicht diese Erwartungshaltung: Die Tannen „lauschen hinaus“ und „strecken die Zweige hin“. Sie sind aktiv an der Vorbereitung beteiligt, indem sie sich den „weißen Wegen“ zuwenden und sich dem Wind entgegenstellen.

Die dritte und vierte Zeile der zweiten Strophe werden durch das Wort „bereit“ betont. Diese Zeile betont die Hingabe und die Bereitschaft der Tannen, das Fest mit ihrer ganzen Existenz zu empfangen. Der Ausdruck „wehrt dem Wind“ zeigt eine Form des Widerstands gegen die raue Umgebung, während „wächst entgegen“ die Sehnsucht nach der „einen Nacht der Herrlichkeit“ zum Ausdruck bringt. Der Begriff „Herrlichkeit“ ist im Kontext der Weihnachtszeit mit Licht und Heiligkeit verbunden und impliziert eine Erfüllung, die über die natürliche Welt hinausgeht.

Insgesamt ist „Advent“ ein Gedicht über die Sehnsucht nach etwas Größerem, die Erwartung eines Ereignisses, das die Welt verändern wird. Rilke nutzt die Naturbilder, um die menschliche Erfahrung der Vorbereitung und des Wartens auf ein heiliges Ereignis zu spiegeln. Die Stille und das Warten in der winterlichen Landschaft werden so zu einer Metapher für die spirituelle Einkehr und die Hoffnung auf Erneuerung, die mit der Adventszeit verbunden sind. Das Gedicht lädt den Leser dazu ein, die eigene Erwartungshaltung zu reflektieren und die stille Vorfreude auf das Fest zu spüren.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.