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Der Soldat

Von

Es geht bei gedämpfter Trommel Klang;
Wie weit noch die Stätte! der Weg wie lang!
O wär er zur Ruh und alles vorbei!
Ich glaub‘, es bricht mir das Herz entzwei!

Ich hab‘ in der Welt nur ihn geliebt,
Nur ihn, dem jetzt man den Tod doch gibt!
Bei klingendem Spiele wird paradiert;
Dazu bin auch ich kommandiert.

Nun schaut er auf zum letzten Mal
In Gottes Sonne freudigen Strahl;
Nun binden sie ihm die Augen zu –
Dir schenke Gott die ewige Ruh!

Es haben die Neun wohl angelegt;
Acht Kugeln haben vorbeigefegt.
Sie zittern alle vor Jammer und Schmerz –
Ich aber, ich traf ihn mitten in das Herz.

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Gedicht: Der Soldat von Adelbert von Chamisso

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Soldat“ von Adelbert von Chamisso erzählt in knapper, eindringlicher Form die tragische Geschichte einer öffentlichen Exekution, die aus der Perspektive einer zutiefst verbundenen, möglicherweise liebenden Person geschildert wird. Es handelt sich um ein lyrisches Ich, das nicht nur emotional, sondern auch direkt als Beteiligte in das Geschehen eingebunden ist – ein doppelter Schmerz, der durch die letzte Zeile eine schockierende Wendung erhält.

Schon die ersten Verse zeigen die emotionale Belastung: Der Weg zur Hinrichtungsstätte zieht sich in bedrückender Langsamkeit – „bei gedämpfter Trommel Klang“. Der Tod des Geliebten, auf den das lyrische Ich mit Entsetzen blickt, wird in einer Mischung aus Ohnmacht und Vorahnung begleitet. Die Klage „Ich glaub’, es bricht mir das Herz entzwei!“ verdeutlicht die völlige Erschütterung der Sprecherin oder des Sprechers.

Die zweite Strophe bringt den inneren Konflikt auf den Punkt: Das lyrische Ich liebt den Verurteilten, wird aber gezwungen, an seiner Hinrichtung teilzunehmen – als Soldat oder Soldatin, kommandiert zur Exekution. Diese grausame Pflicht macht das Gedicht besonders tragisch, denn es geht nicht nur um Verlust, sondern auch um persönliche Schuld.

Die letzten beiden Strophen beschreiben die eigentliche Hinrichtung: Die Augen werden verbunden, das Erschießungskommando legt an. Dabei trifft eine grausame Ironie ein: Acht von neun Schützen verfehlen ihr Ziel – ob absichtlich oder aus Erschütterung bleibt offen. Doch das lyrische Ich ist es, das trifft – „mitten in das Herz“. Diese letzte Zeile ist eine emotionale und moralische Katastrophe: Aus Liebe wird tödliche Tat, aus Pflicht wird persönlicher Abgrund.

Chamisso gelingt mit „Der Soldat“ eine erschütternde Verdichtung von Liebe, Pflicht, Gewalt und Schuld in wenigen Strophen. Das Gedicht stellt auf beklemmende Weise die Frage nach der Unvereinbarkeit von persönlichem Gefühl und militärischem Gehorsam. Es zeigt, wie Krieg und staatliche Gewalt nicht nur Körper, sondern auch Seelen zerstören – und wie im Namen der Ordnung selbst das Innerste des Menschen zerrissen werden kann.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.