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Abschied vom Rhein

Von

Nun gute Nacht! mein Leben,
Du alter, treuer Rhein.
Deine Wellen schweben
Klar im Sternenschein;
Die Welt ist rings entschlafen,
Es singt den Wolkenschafen
Der Mond ein Lied.

Der Schiffer schläft im Nachen
Und träumet von dem Meer;
Du aber, Du mußt wachen
Und trägst das Schiff einher.
Du führst ein freies Leben,
Durchtanzest bei den Reben
Die ernste Nacht.

Wer dich gesehen, lernt lachen;
Du bist so freudenreich,
Du labst das Herz der Schwachen
Und machst den Armen reich.
Du spiegelst hohe Schlösser
Und füllest große Fässer
Mit edlem Wein.

Auch manchen lehrst du weinen.
Dem du sein Lieb entführt;
Gott wolle die vereinen,
Die solche Sehnsucht rührt:
Sie irren in den Hainen,
Und von den Echosteinen
Erschallt ihr Weh.

Und manchen lehret beten
Dein tiefster Felsengrund;
Wer dich im Zorn betreten,
Den ziehst du in den Schlund:
Wo deine Strudel brausen,
Wo deine Wirbel sausen,
Da beten sie.

Mich aber lehrst du singen:
Wenn dich mein Aug ersieht,
eine freudeselig Klingen
Mir durch den Busen zieht;
Treib fromm mir meine Mühle,
Jetzt scheid ich in der Kühle
Und schlummre ein.

Ihr lieben Sterne, decket
Mir meinen Vater zu.
Bis mich die Sonne wecket,
Bis dahin mahle du:
Wirds gut, will ich dich preisen,
Dann sing in höhern Weisen
Ich dir ein Lied.

Nun werf ich dir zum Spiele
Den Kranz in deine Flut:
Trag ihn zu seinem Ziele,
Wo dieser Tag auch ruht.
Gut Nacht, ich muß mich wenden,
Muß nun mein Singen enden,
Gut Nacht, mein Rhein!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Abschied vom Rhein von Clemens Brentano

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Abschied vom Rhein“ von Clemens Brentano ist eine tiefgründige Hommage an den Rhein, die sowohl von persönlicher Verbundenheit als auch von der Schönheit und den Widersprüchen des Flusses geprägt ist. Der Abschied, der im Titel angekündigt wird, ist nicht nur ein Abschied vom Fluss selbst, sondern auch vom Leben und von der Möglichkeit, die Natur und die damit verbundenen Emotionen zu erfahren. Das Gedicht zeichnet sich durch eine melancholische, aber auch versöhnliche Grundstimmung aus, die durch die sanften Bilder der Nacht und des schlafenden Rheinlands verstärkt wird.

Brentano beschreibt den Rhein als einen lebendigen und vielschichtigen Begleiter. Er ist Zeuge von Freude und Leid, von Leben und Tod. Die erste Strophe beschreibt die friedliche nächtliche Szene mit dem Mond, der ein Lied singt, während der Schiffer träumt. Der Rhein wird als wachsame und treue Figur dargestellt, die das Schiff sicher durch die Nacht trägt. Der Fluss wird personifiziert, er tanzt und führt ein freies Leben, er ist ein Spiegelbild der Natur und der menschlichen Erfahrung. Die folgenden Strophen verdeutlichen die widersprüchliche Natur des Rheins: Er lehrt die Menschen zu lachen und zu weinen, er macht Arme reich und lässt Liebende verzweifeln.

Die Struktur des Gedichts ist durchgehend einheitlich, mit sechs Strophen zu je sieben Versen. Durch diese Regelmäßigkeit wird eine beruhigende und rhythmische Wirkung erzeugt, die die Melancholie des Abschieds mildert. Die Reimstruktur (AABCCB) und der Wechsel von sanften, fließenden Bildern mit tieferen, oft düsteren Metaphern unterstützen die emotionale Tiefe des Gedichts. So wie der Rhein die Menschen unterschiedlich beeinflusst, so erzeugt auch das Gedicht eine Vielzahl von Emotionen beim Leser, von der Freude bis zur Trauer.

Die zentrale Metapher des Gedichts ist der Rhein als Spiegelbild des Lebens. Er verkörpert die Schönheit, die Freiheit und die Vergänglichkeit, die für die menschliche Existenz so charakteristisch sind. Die letzte Strophe, in der der Dichter seinen Kranz in die Flut wirft, symbolisiert die Hingabe an den Fluss und die Akzeptanz des Abschieds. Der Abschied vom Rhein ist somit auch ein Abschied von einem Lebensabschnitt, von Erfahrungen und Emotionen, die den Dichter geprägt haben. Er verabschiedet sich nicht nur vom Fluss, sondern auch von seinem eigenen Leben, um in die Stille der Nacht einzutauchen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.