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Kuß

Von

Auf die Hände küßt die Achtung,
Freundschaft auf die offne Stirn,
Auf die Wange Wohlgefallen,
Sel′ge Liebe auf den Mund;
Aufs geschloßne Aug′ die Sehnsucht,
In die hohle Hand Verlangen,
Arm und Nacken die Begierde,
Übrall sonst die Raserei.

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Gedicht: Kuß von Franz Grillparzer

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Kuß“ von Franz Grillparzer präsentiert eine feingliedrige Abstufung der Kussarten, die jeweils unterschiedliche Emotionen und Intentionen repräsentieren. Es ist eine katalogartige Aufzählung, die in ihrer Präzision und Kürze besticht. Die Verwendung von Substantiven, die die verschiedenen Gefühle bezeichnen, und die Nennung der Körperteile, auf die diese Küsse zielen, erzeugt ein klares Bild der jeweiligen Bedeutung.

Das Gedicht beginnt mit der Achtung, die die Hände küsst, und der Freundschaft, die die Stirn umarmt. Diese Küsse, die auf die Hände und die Stirn gelenkt werden, zeigen eine gewisse Distanz und Zurückhaltung, die für Respekt und Freundschaft charakteristisch sind. Das Gedicht steigert sich dann in der Intensität, wobei das Wohlgefallen die Wange küsst. Der Übergang zur seligen Liebe auf dem Mund markiert eine deutliche Steigerung des Gefühls, was eine engere emotionale Verbindung und Zuneigung impliziert.

Die zweite Hälfte des Gedichts führt komplexere und intensivere Emotionen ein. Sehnsucht küsst das geschlossene Auge, während Verlangen die hohle Hand berührt. Hier wird eine subtile Betonung der Sehnsucht nach dem Unerreichbaren oder Abwesenden und des heimlichen Begehrens erkennbar. Der Übergang zur Begierde, die Arm und Nacken küsst, markiert eine weitere Intensivierung, die in eine fast unkontrollierte, sinnliche Leidenschaft übergeht.

Das Gedicht endet mit dem Hinweis auf die „Raserei“, die den Rest des Körpers umfasst. Dies deutet auf einen Zustand der völligen Leidenschaft und des Kontrollverlusts hin, der durch die vorherigen, geordneten Kussarten vorbereitet wurde. Grillparzer nutzt diese Progression, um die verschiedenen Nuancen der Liebe und des Verlangens aufzuzeigen, von der distanzierten Achtung bis zur alles verzehrenden Leidenschaft. Die Kürze des Gedichts trägt dazu bei, seine Intensität zu unterstreichen und die Leser dazu zu zwingen, die Bedeutung hinter den Worten zu erfassen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.