Am See
1.
Im tiefen Walde einsam ruht
Der See mit dämmerblauem Schein,
Es zittert in die dunkle Flut
Des Sommers heißer Mittagsschein.
Ein Wasserröslein still erblüht
Im See so einsam, duftigrot,
Ein Schwan so einsam ihn durchzieht
Und singt sein Lied vor seinem Tod.
2.
Es blaut und glitzert im Grund der See,
Zwei Schwäne darüber zogen;
Sie sangen ein Lied so süß und weh,
Es rauschten so leise die Wogen.
Ich stand am See und lauschte hinaus,
Als müsse ich ewig lauschen,
Als ob meiner Jugend toller Braus
Noch einmal vorbei muss′ rauschen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Am See“ von Franz Alfred Muth beschreibt in zwei Strophen eine melancholische Szenerie am Seeufer, in der Natur und menschliches Empfinden verschmelzen. Im ersten Teil wird die stille, fast unberührte Natur des Sees dargestellt, die von einer einsamen Wasserröschenblüte und einem sterbenden Schwan bevölkert wird. Diese Bilder der Einsamkeit und des nahenden Todes erzeugen eine Atmosphäre der Melancholie und des Abschieds, die durch die Farbwahl (dämmerblau, duftigrot) und die Stille des Sees noch verstärkt wird. Der Mittagsschein, der die Szenerie erhellt, wirkt fast unwirklich, als würde er die Szene nur noch stärker hervorheben und die Vergänglichkeit der Dinge betonen.
Im zweiten Teil wird die Perspektive des lyrischen Ichs eingeführt, das Zeuge des Geschehens wird. Die Szene verändert sich leicht, mit dem Auftritt von zwei Schwänen, die ein „süß und weh“ klingendes Lied singen. Die Bewegung der Schwäne über dem See und das leise Rauschen der Wellen erwecken den Eindruck von Bewegung und Abschied. Das lyrische Ich steht am Ufer und lauscht, gefangen in der Szenerie, als würde es versuchen, die Zeit anzuhalten oder eine Erinnerung festzuhalten. Die Zeile „Als ob meiner Jugend toller Braus / Noch einmal vorbei muss‘ rauschen“ lässt auf eine Reflexion über die eigene Jugend und deren Vergänglichkeit schließen, die nun am Seeufer wieder in den Fokus gerückt wird.
Die Verbindung zwischen Natur und menschlichem Empfinden ist zentral. Der See, die Wasserröschen, der Schwan – alles steht im Einklang mit dem inneren Zustand des lyrischen Ichs, das sich in dieser stillen Umgebung mit der Vergänglichkeit des Lebens und der eigenen Vergangenheit auseinandersetzt. Die „tollen Braus“ der Jugend, die in dem Gedicht anklingen, kontrastieren mit der Ruhe und Stille des Sees und weisen auf einen Verlust oder eine Sehnsucht hin, der/die durch das Betrachten der Naturlandschaft ausgelöst wird.
Muth verwendet eine einfache, aber eindringliche Sprache, um eine Atmosphäre der Trauer und Kontemplation zu erzeugen. Die Reime und der gleichmäßige Rhythmus unterstützen die meditative Wirkung des Gedichts. Die Wiederholung des Wortes „einsam“ in der ersten Strophe verstärkt die Thematik der Isolation und des Alleinseins, während die Bilder von Tod und Abschied die Vergänglichkeit des Lebens thematisieren. Das Gedicht lädt dazu ein, über die eigene Vergangenheit, die eigene Jugend und die Natur nachzudenken, und über das, was uns im Leben bewegt und betrübt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.