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Wär′ ich im Bann von Mekkas Toren

Von

Wär′ ich im Bann von Mekkas Toren,
Wär′ ich auf Yemens glühndem Sand,
Wär′ ich am Sinai geboren,
Dann führt′ ein Schwert wohl diese Hand;

Dann zög′ ich wohl mit flücht′gen Pferden
Durch Jethros flammendes Gebiet!
Dann hielt′ ich wohl mit meinen Herden
Rast bei dem Busche, der geglüht;

Dann abends wohl vor meinem Stamme,
In eines Zeltes luft′gem Haus,
Strömt′ ich der Dichtung innre Flamme
In lodernden Gesängen aus;

Dann wohl an meinen Lippen hinge
Ein ganzes Volk, ein ganzes Land;
Gleichwie mit Salomonis Ringe
Herrscht′ ich, ein Zauberer, im Sand.

Nomaden sind ja meine Hörer,
Zu deren Geist die Wildnis spricht;
Die vor dem Samum, dem Zerstörer,
Sich werfen auf das Angesicht;

Die allzeit auf den Rossen hängen,
Absitzend nur am Wüstenbronn;
Die mit verhängten Zügeln sprengen
Von Aden bis zum Libanon;

Die nachts, als nimmermüde Späher,
Bei ihrem Vieh ruhn auf der Trift,
Und, wie vorzeiten die Chaldäer,
Anschaun des Himmels goldne Schrift;

Die oft ein Murmeln noch vernehmen
Von Sina′s glutgeborstnen Höhn,
Die oft des Wüstengeistes Schemen
In Säulen Rauches wandeln sehn;

Die durch den Riß oft des Gesteines
Erschaun das Flammen seiner Stirn –
Ha, Männer, denen glühnd wie meines
In heißen Schädeln brennt das Hirn.

O Land der Zelte, der Geschosse!
O Volk der Wüste, kühn und schlicht!
Beduin, du selbst auf deinem Rosse
Bist ein phantastisches Gedicht! –

Ich irr auf mitternächt′ger Küste;
Der Norden, ach, ist kalt und klug.
Ich wollt′, ich säng′ im Sand der Wüste,
Gelehnt an eines Hengstes Bug.

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Gedicht: Wär′ ich im Bann von Mekkas Toren von Ferdinand Freiligrath

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Wär’ ich im Bann von Mekkas Toren“ von Ferdinand Freiligrath ist eine romantische Sehnsuchtsäußerung nach einem Leben in der arabischen Wüste und dem damit verbundenen Freiheitsgefühl und der archaischen Ursprünglichkeit. Es ist ein Lobgesang auf die Lebensweise der Beduinen, die der Dichter als Gegenentwurf zur kalten, berechnenden Welt des Nordens betrachtet. Die Verse zeichnen ein Idealbild des Nomadenlebens, geprägt von Wildheit, Naturverbundenheit, kriegerischer Stärke und poetischer Inspiration.

Freiligrath imaginiert sich selbst in verschiedenen Szenarien, die mit der Welt der Beduinen verknüpft sind. Er stellt sich vor, wie er mit einem Schwert in der Hand durch das Land zieht, Herden hütet, am brennenden Dornbusch rastet und seine Dichtkunst in „lodernden Gesängen“ vor seinem Stamm zum Besten gibt. Dabei werden biblische Bezüge (Jethro, Sinai, Salomon) herangezogen, um die mythische und sagenhafte Qualität des idealisierten Lebens zu unterstreichen. Die Vorstellung, wie ein ganzes Volk an seinen Lippen hängen würde, verdeutlicht den Wunsch nach Anerkennung und der Macht der Worte.

Der zweite Teil des Gedichts konzentriert sich auf die Beschreibung der Beduinen, die Freiligrath als seine „Hörer“ bezeichnet. Er hebt ihre Stärke, ihre Verbundenheit mit der Natur, ihre Furchtlosigkeit und ihre mystische Sensibilität hervor. Er beschreibt sie als Menschen, die die Zeichen der Wüste verstehen, den Samum fürchten, in den Sternen lesen und Geister sehen. Durch diese Darstellung idealisiert der Dichter die Beduinen als ein Volk, das im Einklang mit der Natur und den Kräften des Kosmos lebt. Ihre Lebensweise wird als poetisch und von einer tiefen inneren Glut geprägt charakterisiert.

Die abschließenden Verse bringen die Sehnsucht des Dichters nach der Wüste auf den Punkt. Er befindet sich an einer „mitternächt’ger Küste“ (Nord), die er als „kalt und klug“ empfindet. Er sehnt sich nach dem wärmenden Sand der Wüste und dem Kontakt mit der Natur, verkörpert durch die Nähe zu einem Hengst. Die Sehnsucht nach der Wüste ist somit eine Sehnsucht nach einem Leben, das von Freiheit, Wildheit, Abenteuer und kreativer Inspiration geprägt ist, im Gegensatz zu der als eng und rational empfundenen Welt des Nordens. Das Gedicht wird so zu einer romantischen Flucht aus der Enge der eigenen Zeit und zu einer Huldigung an ein ideales, mythisches Leben.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.