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Alles mit Maß

Von

Mancherlei sind es der Gaben, die gütige Götter den Menschen
Zum Genusse verliehn, sowie für die tägliche Notdurft.
Aber vor jeglichem Ding begehr ich gebratenen Schweinsfuß.
Meine Frau Wirtin, die merkt’s, nun hab ich alle Tag Schweinsfüß.
Öfters im Geist ahnt mir: jetzt ist kein einziger Schweinsfuß
Mehr in der Stadt zu erspähn: was hab ich am Abende? Schweinsfüß!
Spräche der König nun gleich zum Hofkoch: Schaffe mir Schweinsfüß!
Gnade der Himmel dem Mann, denn nirgend mehr wandelt ein Schweinsfuß.
Und ich sagte zur Wirtin zuletzt: »Nun laßt mir die Schweinsfüß!
Denn er schmeckt mir nicht mehr wie sonst, der bräunliche Schweinsfuß.«
Aber sie denkt, aus Zartgefühl nur verbät ich die Schweinsfüß,
Lächelnd bringet sie mir auch heute gebratenen Schweinsfuß –
Ei so hole der Teufel auf ewig die höllischen Schweinsfüß!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Alles mit Maß von Eduard Mörike

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Alles mit Maß“ von Eduard Mörike ist eine humorvolle Auseinandersetzung mit der menschlichen Neigung zur Übertreibung und der daraus resultierenden Übersättigung. Es beginnt mit der Aufzählung der vielen Gaben, die die Götter den Menschen geschenkt haben, um dann jedoch in der scheinbar profanen Vorliebe des Sprechers für gebratene Schweinsfüße zu kulminieren. Dieser Fokus, der zunächst als individueller Genuss geäußert wird, entwickelt sich zu einer Obsession, die vom Anfangsreim „Mancherlei sind es der Gaben“ bis zum Schlussreim „Ei so hole der Teufel auf ewig die höllischen Schweinsfüß!“ durchgängig das Gedicht prägt.

Die anfängliche Freude am Schweinsfuß wandelt sich in eine beunruhigende Fixierung. Die Wirtin, die offenbar bemüht ist, dem Wunsch des Gastes zu entsprechen, steigert das Angebot ins Unermessliche. Die zunehmende Häufigkeit des Schweinsfuß-Konsums führt nicht etwa zu gesteigerter Freude, sondern zu einer Degeneration des Genusses. Der Sprecher befürchtet zunächst, dass die Schweinsfüße knapp werden könnten, was die Ironie des Gedichts verstärkt, da sein übermäßiger Konsum letztendlich dazu führt, dass er sich überdrüssig wird. Die rhetorische Frage „was hab ich am Abende? Schweinsfüß!“ verdeutlicht diese sich einschleichende Routine und die Abnahme des anfänglichen Vergnügens.

Die sprachliche Gestaltung unterstützt die humorvolle Pointe des Gedichts. Mörike bedient sich einer einfachen, umgangssprachlichen Ausdrucksweise, die den alltäglichen Charakter der Situation betont. Die sich wiederholende Verwendung des Wortes „Schweinsfuß“ und seine Platzierung am Versende verstärken das monotone, beinahe zwanghafte Wesen der Erzählung. Das Zitat des Sprechers an die Wirtin, er wolle nun keine Schweinsfüße mehr, ist von der Ironie des Kontextes durchtränkt. Die Wirtin, die offenbar das Wohl des Gastes im Sinn hat, interpretiert die Aussage falsch und serviert weiterhin Schweinsfüße.

Das Gedicht ist eine Warnung vor der Gier und der Unfähigkeit, Maß zu halten. Die anfängliche Freude am Schweinsfuß, einer scheinbar unbedeutenden Genussmittel, wird zum Symbol für die Tendenz des Menschen, seine Begierden zu übersteigern und sich in ihnen zu verlieren. Die Reaktion des Sprechers am Ende, „Ei so hole der Teufel auf ewig die höllischen Schweinsfüß!“, ist der Höhepunkt der Übersättigung und der Erkenntnis, dass das Streben nach Übermaß letztlich zur Verdammnis führt. Der Text ist somit ein satirischer Kommentar zur menschlichen Natur, der sowohl amüsant als auch lehrreich ist.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.