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Rätsel

Von

Ein Bruder ist’s von vielen Brüdern,
In Allem ihnen völlig gleich,
Ein nötig Glied von vielen Gliedern,
In eines großen Vaters Reich;
Jedoch erblickt man ihn nur selten,
Fast wie ein eingeschobnes Kind:
Die Andere lassen ihn nur gelten
Da, wo sie unvermögend sind.

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Gedicht: Rätsel von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Rätsel“ von Johann Wolfgang von Goethe ist ein poetisches Denkspiel, das in klassischer Form ein sprachliches Rätsel aufbaut. In wenigen, kunstvoll gereimten Zeilen wird ein Gegenstand oder Begriff beschrieben, dessen Lösung der Leser durch genaue Interpretation herausfinden soll. Es handelt sich hier um ein metaphorisches Porträt eines Wesens, das zugleich Teil einer größeren Gemeinschaft ist, aber eine Sonderrolle einnimmt.

Das lyrische Ich beschreibt den Gegenstand als „Bruder von vielen Brüdern“, „in allem ihnen völlig gleich“ – es gehört also zu einer Gruppe Gleichartiger. Zugleich wird betont, dass es nur selten wahrgenommen wird und oft nur dann, wenn die anderen „unvermögend sind“. Diese Umschreibung weist darauf hin, dass es sich um ein Glied in einem größeren System handelt, das meist unauffällig bleibt, aber in bestimmten Situationen unersetzlich wird.

Die Formulierungen „eingeschobnes Kind“ und „ein nötig Glied von vielen Gliedern“ legen nahe, dass das Rätsel auf einen Bestandteil von Sprache oder Grammatik anspielt – genauer: das „Hilfsverb“. Es ist Teil der „Brüder“ (also der Verben), gleichwertig in grammatischer Funktion, wird aber oft nur gebraucht, wenn andere Verben „unvermögend“ sind – also ohne Hilfe nicht auskommen, wie beim Passiv oder Perfekt.

Goethe nutzt hier das Rätselgedicht nicht nur als spielerisches Mittel, sondern auch als Reflexion über die unscheinbaren, aber notwendigen Elemente im Gefüge einer größeren Ordnung. Es zeigt die Freude am Sprachspiel ebenso wie ein tiefes Bewusstsein für Struktur und Funktion innerhalb eines Systems – sei es Sprache oder Gesellschaft.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.