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Die Erscheinung

Von

Ist′s Dein Schatten, der mit lindem Wehen
Leise oft, und flüsternd um mich schwebt,
Dass mir ahnungsvoll das Herz erbebt
Und mir Thränen in den Augen stehen?

Deinen Körper birgt das dunkle Grab;
Doch in lichte, höh′re Regionen,
Unter Engeln schwesterlich zu wohnen,
Schwang der Geist sich, welchen Gott Dir gab.

Sollt′ er liebevoll mir wiederkehren,
Weil er weiss, wie bang ich Dich entbehrt?
Weil mein Herz, von Sehnsucht still verzehrt,
Sich des bittern Grams nicht kann erwehren?

O gieb Antwort mir auf diese Frage,
Denn Dein nachtumhülltes Schattenbild
Ohne Deine Rede, sanft und mild,
Weckt nur inniger der Wehmuth Klage.

Sprich wie sonst, mit freundlichem Vertrauen,
Das Dich wiederum mir näher bringt,
Ach der Schmerz, der jetzt mich tief durchdringt,
Löst sich sonst in schauerliches Grauen.

»Fasse Muth, und hebe ohne Thränen
Deine Blicke liebend zu mir auf.
Um zu lindern Dein unendlich Sehnen
Stieg ich aus der Schattenwelt herauf.

Sieh, ich noch – nimmer kann vergehen,
Was in reiner Unschuld einst gelebt,
Und gestillt in wonnevollen Wehen
Wird der Schmerz, der irdisch uns durchbebt.

Warum klagst Du, dass ich früh gesunken,
In der Erde kühlen Mutterschooss?
Vom Entzücken höh′rer Sphären trunken,
Ist der Himmel Wonne nun mein Loos.

Denn in Staub zerfallen ist die Hülle,
Die so schmerzvoll meinen Geist umwand;
Doch belohnt des Leidens Fülle
Jetzt mit ew′ger Ruh′ ein bessres Land.

Dass ich noch Dir tröstend wiederkehre,
Ist der Freundschaft Werk, die fest und rein
Uns vereinigte, und sieh, ich ehre
Ihr Gebot auch noch im bessern Seyn.

Scheiden muss ich, aber stillen Frieden
Statt der bangen Sehnsucht nimm von mir.
Wiedersehen ist uns einst beschieden,
Denn des Lebens Fackel löscht auch Dir.

Ruhig sieh zu meiner Gruft hinab,
Denn der Menschheit edelste Gefühle
Werden nicht zu Staub im tiefen Grab –
Fest bestehn sie noch am letzten Ziele.«

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Gedicht: Die Erscheinung von Charlotte von Ahlefeld

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Erscheinung“ von Charlotte von Ahlefeld thematisiert die Trauer und Sehnsucht nach einem verstorbenen Menschen, sowie die tröstliche Botschaft einer Wiederkehr aus dem Jenseits. Die Dichtung zeichnet sich durch einen Dialog zwischen der trauernden Person und dem Geist des Verstorbenen aus, der in einer Erscheinung Trost spendet und die Angst vor dem Tod mildern soll.

Die ersten vier Strophen drücken die tiefe Trauer und das Sehnen der Zurückgebliebenen aus. Die Zeilen beschreiben ein Gefühl der Anwesenheit des Verstorbenen, dargestellt durch „Schatten, der mit lindem Wehen“ um die lebende Person schwebt. Dieses Empfinden löst eine Mischung aus Angst und Trauer aus, was sich in bebenden Herzen und Tränen manifestiert. Die Frage nach einer Antwort auf die quälenden Fragen des Verlustes dominiert, während die „nachtumhülltes Schattenbild“ des Verstorbenen ohne Worte nur die Wehmut verstärkt.

In den darauffolgenden Strophen spricht der Geist des Verstorbenen, um Trost und Hoffnung zu spenden. Er erklärt seine Rückkehr aus der „Schattenwelt“ als Zeichen der Freundschaft und Liebe. Er betont, dass nichts, was in „reiner Unschuld“ gelebt hat, jemals vergehen kann und dass der irdische Schmerz im Jenseits durch ewige Ruhe ersetzt wurde. Die Botschaft ist klar: Der Tod ist nicht das Ende, sondern ein Übergang in eine bessere Welt, in der die Seele frei von Leid ist.

Das Gedicht bedient sich einer einfachen, gefühlvollen Sprache, die die tiefe Emotion der Trauer und des Trostes direkt anspricht. Die Verwendung von Wörtern wie „Wehen“, „Thränen“, „Sehnsucht“, „Schmerz“ und „Grauen“ unterstreicht die Intensität des Verlustes. Durch die personifizierte Erscheinung des Verstorbenen wird eine intime Verbindung zwischen den Welten hergestellt und der Glaube an ein Leben nach dem Tod bekräftigt. Abschließend wird die Hoffnung auf ein Wiedersehen im Jenseits formuliert, was den Trost und die Heilung in den Vordergrund rückt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.