Der Jüngling am Meere
Es sass ein Jüngling am Meere,
Und sang ein trauriges Lied,
Von Sturm und Wellengeräusche,
In denen sein Liebchen verschied.
Da lächelte golden und ruhig
Des Mondes Antlitz ihn an;
Im Busen wurd′ es ihm heller – –
Er schaute beruhigt hinan.
Es kehrte die Hoffnung ihm wieder,
Zwar nicht mehr auf irdisches Glück;
Doch zog sie ihn lächelnd und tröstend
Vom Abgrund des Jammers zurück.
»Dort, wo die Fluthen erbrausen,
Wo schäumend die Woge sich bricht,
Wo heulende Stürme ersausen –
Dort weilt die Geliebte nicht.
Es hob aus der niederen Sphäre
Sich strahlend zum Himmel ihr Geist.
Die Hülle nur schlummert im Meere,
Von tobenden Wellen umkreist.
Sie selbst lebt über den Sternen
Und lächelt mit liebender Huld
Dort oben aus ewigen Fernen
In′s blutende Herz mir Geduld!«
So sang er mit schmelzenden Tönen
Und stillte sein trauerndes Herz,
Denn Zuversicht, Hoffnung und Glaube
Besänftigen irdischen Schmerz.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Jüngling am Meere“ von Charlotte von Ahlefeld handelt von der Verarbeitung von Trauer und dem Finden von Trost nach dem Verlust eines geliebten Menschen. Es beginnt mit dem Bild eines jungen Mannes, der am Meer sitzt und ein trauriges Lied über den Tod seiner Liebsten singt, die durch Sturm und Wellen ums Leben gekommen ist. Die Szenerie ist von Melancholie und Verzweiflung geprägt, wobei das Meer als Metapher für die unbändige Gewalt des Schicksals fungiert, das ihm seine Geliebte entrissen hat.
Die Ankunft des Mondes und sein sanftes Lächeln stellt einen Wendepunkt dar. Der Mond, ein traditionelles Symbol für Ruhe, Hoffnung und Trost, erhellt die Seele des Jünglings und flößt ihm neue Zuversicht ein. Dies spiegelt sich in der Zeile „Im Busen wurd′ es ihm heller“ wider. Die Hoffnung kehrt zurück, jedoch nicht auf irdisches Glück, sondern auf die Gewissheit, dass seine Geliebte über den Sternen in einer anderen Existenz weiterlebt.
Das Gedicht kulminiert in der Erkenntnis des Jünglings, dass seine Geliebte nicht im Meer, sondern in einer höheren Sphäre weilt. Der Meeresgrund ist nur die letzte Ruhestätte ihres irdischen Körpers, während ihr Geist in den Himmel aufgestiegen ist. Diese Vorstellung lindert seinen Schmerz, denn sie impliziert, dass der Tod nicht das Ende ist, sondern ein Übergang in eine neue Existenz voller Liebe und Ewigkeit. Die Sprache wird fließender und wärmer, als der Jüngling die Worte des Trostes formuliert, die ihm helfen, seine Trauer zu bewältigen.
Der Schlussvers fasst die zentrale Botschaft des Gedichts zusammen: Zuversicht, Hoffnung und Glaube sind die Mittel, die irdischen Schmerz besänftigen können. Durch die Hinwendung zum Glauben und die Akzeptanz des Schicksals findet der Jüngling inneren Frieden. Das Gedicht feiert somit nicht nur die Liebe und den Verlust, sondern auch die Kraft des menschlichen Geistes, Trost und Hoffnung in scheinbar aussichtslosen Situationen zu finden. Es ist ein Plädoyer für die Unsterblichkeit der Seele und die tröstende Macht der Erinnerung und des Glaubens.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.