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Die teuflische Stanze

Von

Noch jeder Gott war menschliches geschöpfe
Die immer seligen sind allein die tröpfe
Nur was die narren sprechen ist orakel
Nur was nie war ist frei von jedem makel
Die tugend dank am meisten dem vergehen
Die liebe kommt vom mangelhaften sehen
Kein heiliger der’s nicht aus dem sünder wurde
Und ewige wahrheit bleibt nur das absurde.

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Gedicht: Die teuflische Stanze von Stefan George

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die teuflische Stanze“ von Stefan George ist eine scharfsinnige, fast spöttische Reflexion über menschliche Glaubensvorstellungen, Moral und Wahrheit. Bereits der Titel deutet auf eine provokative, vielleicht ketzerische Sichtweise hin. Die erste Zeile stellt die Göttlichkeit infrage, indem sie behauptet, dass „jeder Gott“ nur ein „menschliches Geschöpfe“ sei – eine Schöpfung des Menschen selbst. Dies rüttelt an religiösen Vorstellungen und zeigt eine skeptische Weltsicht.

Im weiteren Verlauf entlarvt George scheinbare Wahrheiten als Widersprüche: Die „immer Seligen“ sind eigentlich nur „Tröpfe“ – also naive oder unbedarft glückliche Menschen. Das Orakel, das eigentlich Weisheit symbolisiert, spricht nur das, was die Narren sagen. Dies verweist auf eine Umkehrung der üblichen Wertvorstellungen, in der das Absurde und das Widersinnige letztlich die einzige Konstante sind.

Besonders provokant sind die Aussagen zur Tugend und zur Liebe. Die Tugend verdankt ihr Bestehen dem „Vergehen“, also vielleicht der Sünde oder dem Fehler, und die Liebe entspringt einer unvollkommenen Wahrnehmung. Dies könnte bedeuten, dass Liebe eine Illusion ist, die aus der Unfähigkeit resultiert, das Gegenüber klar zu erkennen. Die Schlusszeilen bringen die Paradoxie auf den Punkt: Kein Heiliger existiert ohne eine sündige Vergangenheit, und das einzig Ewige ist das Absurde. George entwirft hier eine zutiefst pessimistische, aber auch geistreich-ironische Sicht auf menschliche Konzepte von Wahrheit, Heiligkeit und Moral.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.