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Die Goldgräber

Von

Sie waren gezogen über das Meer,
Nach Glück und Gold stand ihr Begehr,
Drei wilde Gesellen, vom Wetter gebräunt,
Und kannten sich wohl und waren sich freund.

Sie hatten gegraben Tag und Nacht,
Am Flusse die Grube, im Berge den Schacht,
In Sonnengluten und Regengebraus
Bei Durst und Hunger hielten sie aus.

Und endlich, endlich, nach Monden voll Schweiß,
Da sahn aus der Tiefe sie winken den Preis,
Da glüht es sie an durch das Dunkel so hold,
Mit Blicken der Schlange, das feurige Gold.

Sie brachen es los aus dem finsteren Raum,
Und als sie’s fassten, sie hoben es kaum,
Und als sie’s wogen, sie jauchzten zugleich:
„Nun sind wir geborgen, nun sind wir reich!“

Sie lachten und kreischten mit jubelndem Schall,
Sie tanzten im Kreis um das blanke Metall,
Und hätte der Stolz nicht bezähmt ihr Gelüst,
Sie hätten’s mit brünstiger Lippe geküsst.

Sprach Tom, der Jäger: „Nun lasst uns ruhn!
Zeit ist’s, auf das Mühsal uns gütlich zu tun.
Geh, Sam, und hol‘ uns Speisen und Wein,
Ein lustiges Fest muss gefeiert sein.“

Wie trunken schlenderte Sam dahin
Zum Flecken hinab mit verzaubertem Sinn;
Sein Haupt umnebelnd beschlichen ihn sacht
Gedanken, wie er sie nimmer gedacht.

Die andern saßen am Bergeshang,
Sie prüften das Erz, und es blitzt‘ und es klang.
Sprach Will, der Rote: „Das Gold ist fein;
Nur schade, dass wir es teilen zu drein!“

„Du meinst?“ – „Je nun, ich meine nur so.
Zwei würden des Schatzes besser froh“ –
„Doch wenn -“ – „Wenn was?“ – „Nun, nehmen wir an,
Sam wäre nicht da“ – „Ja, freilich, dann – -„

Sie schwiegen lang; die Sonne glomm
Und gleißt‘ um das Gold; da murmelte Tom:
„Siehst du die Schlucht dort unten?“ – „Warum?“ –
„Ihr Schatten ist tief, und die Felsen sind stumm.“ –

„Versteh‘ ich dich recht?“ – „Was fragst du noch viel!
Wir dachten es beide und führen’s ans Ziel.
Ein tüchtiger Stoß und ein Grab im Gestein,
So ist es getan, und wir teilen allein.“

Sie schwiegen aufs neu‘. Es verglühte der Tag,
Wie Blut auf dem Golde das Spätrot lag;
Da kam er zurück, ihr junger Genoss,
Von bleicher Stirne der Schweiß ihm floss.

„Nun her mit dem Korb und dem bauchigen Krug!“
Und sie aßen und tranken mit tiefem Zug.
„Hei lustig, Bruder! Dein Wein ist stark;
Er rollt wie Feuer durch Bein und Mark.

Komm, tu uns Bescheid!“ – „Ich trank schon vorher;
Nun sind vom Schlafe die Augen mir schwer.
Ich streck‘ ins Geklüft mich.“ – „Nun, gute Ruh‘!
Und nimm den Stoß und den dazu!“

Sie trafen ihn mit den Messern gut;
Er schwankt‘ und glitt im rauchenden Blut.
Noch einmal hub er sein blass Gesicht:
„Herr Gott im Himmel, du hältst Gericht!

Wohl um das Gold erschluget ihr mich;
Weh euch! Ihr seid verloren wie ich.
Auch ich, ich wollte den Schatz allein
Und mischt‘ euch tödliches Gift an den Wein.“

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Gedicht: Die Goldgräber von Emmanuel Geibel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Goldgräber“ von Emmanuel Geibel erzählt eine dramatische Geschichte über Gier, Verrat und die zerstörerische Macht des Goldes. Drei Männer, vereint durch harte Arbeit und Freundschaft, graben monatelang unter widrigsten Bedingungen, bis sie schließlich das ersehnte Gold finden. Doch in dem Moment, in dem ihr Traum Wirklichkeit wird, wandelt sich ihre Freude in Misstrauen und Gier.

Die Handlung spitzt sich zu, als sich zwei der Männer gegen den dritten, Sam, verschwören. Ihr Gespräch, zunächst vage, wird immer deutlicher zu einem Mordplan – ein „tüchtiger Stoß“, ein „Grab im Gestein“ soll den Schatz unter weniger Beteiligten aufteilen. Doch die Ironie des Schicksals zeigt sich, als Sam bereits selbst von denselben dunklen Gedanken heimgesucht wurde: Er hatte den Wein vergiftet, um seine Gefährten auszuschalten und das Gold für sich allein zu behalten.

Die Tragik des Gedichts liegt in der gnadenlosen Konsequenz der Habgier. Alle drei Männer verlieren ihr Leben, das Gold bleibt unberührt zurück. Geibel nutzt eindringliche Naturbilder – das Blutrote des Sonnenuntergangs auf dem Gold, die stumme Tiefe der Schlucht – um die düstere Atmosphäre zu verstärken. Die letzte Zeile, ein Ausruf der göttlichen Gerechtigkeit, deutet an, dass kein Gewinn, der durch Verrat und Mord erlangt wird, von Dauer sein kann. Damit wird das Gedicht zu einer eindringlichen Mahnung vor der zerstörerischen Kraft der Gier.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.