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Bilder Neapels

Von

(1827)

Fremdling, komm in das große Neapel, und sieh′s, und stirb!
Schlürfe Liebe, genieß des beweglichen Augenblicks
Reichsten Traum, des Gemütes vereitelten Wunsch vergiß,
Und was Quälendes sonst in das Leben ein Dämon wob:
Ja, hier lerne genießen, und dann, o Beglückter, stirb! –

Im Halbzirkel umher, an dem lachenden Golf entlang,
Unabsehlich benetzt von dem laulichen Wogenschwall,
Liegt von Schiffen und hohen Gebäuden ein weiter Kreis;
Wo sich zwischen die Felsengeklüfte des Bacchus Laub
Drängt, und stolz sich erhebt in die Winde der Palmenschaft. –

Stattlich ziehn von den Hügeln herab sich die Wohnungen
Nach dem Ufer, und flach, wie ein Garten, erscheint das Dach:
Dort nun magst du die See von der Höh und den Berg besehn,
Der sein aschiges Haupt in den eigenen Dampf verbirgt,
Dort auch Rosen und Reben erziehn und der Aloe
Starken Wuchs, und genießen die Kühle des Morgenwinds. –

Fünf Kastelle beschirmen und bändigen keck die Stadt:
Dort Sankt Elmo, wie droht′s von dem grünenden Berg herab!
Jenes andere, rings von Gewässer umplätschert, einst
War′s der Garten Lukulls, des entthronten Augustulus
Schönes Inselasyl, in die Welle hinausgestreckt. –

Wo du gehst, es ergießen in Strömen die Menschen sich:
Willst zum Strande du folgen vielleicht und die Fischer sehn,
Wie mit nerviger Kraft an das Ufer sie ziehn das Netz,
Singend, fröhlichen Muts, in beglückender Dürftigkeit?
Und schon lauert der bettelnde Mönch an dem Ufersand,
Heischt sein Teil von dem Fang, und die Milderen reichen′s ihm.
Ihre Weiber indes, in beständiger Plauderlust,
Sitzen unter den Türen, die Spindel zur Hand, umher.
Sieh, da zeigt sich ein heiteres Paar, und es zieht im Nu
Kastagnetten hervor und beginnt die bacchantische
Tarantella, den üppigen Tanz, und es bildet sich
Um die beiden ein Kreis von Beschauenden flugs umher;
Mädchen kommen sogleich und erregen das Tamburin,
Dem einfacheren Ohr der Zufriedenen ist′s Musik:
Zierlich wendet die Schöne sich nun, und der blühende
Jüngling auch. Wie er springt! wie er leicht und behend sich dreht,
Stampfend, Feuer im Blick! Und er wirft ihr die Rose zu.
Anmut aber verläßt den Begehrenden nie, sie zähmt
Sein wollüstiges Auge mit reizender Allgewalt:
Wohl dem Volke, dem Glücklichen, dem die Natur verliehn
Angeborenes Maß, dem entfesselten Norden fremd! –

Durchs Gewühle mit Müh, ein Ermattender, drängst du dich
Andre Gassen hindurch; der Verkäufer und Käufer Lärm
Ringsum. Horch, wie sie preisen die Ware mit lautem Ruf!
Käuflich Alles, die Sache, der Mensch, und die Seele selbst.
Aus Karossen und sonstigem Pferdegespann, wie schrein
Wagenlenker um dich, und der dürftige Knabe, der
Auf die Kutsche sogleich, dir ein Diener zu sein, sich stellt.
Sieh, hier zügelt das Kabriolett ein beleibter Mönch,
Und sein Eselchen geißelt ein anderer wohlgemut.
Kuppler lispeln indes, und es winselt ein Bettler dir
Manches Ave, verschämt das Gesicht mit dem Tuch bedeckt.
Dort steht müßiges Volk um den hölzernen Pulcinell,
Der vom Marionettengebälke possierlich glotzt;
Hier Wahrsager mit ihrer gesprenkelten Schlangenbrut. –

Alles tummelt im Freien sich hier: der geschäftige
Garkoch siedet, er fürchtet den seltenen Regen nicht;
Ihn umgibt ein Matrosengeschwader, die heiße Kost
Schlingend gierigen Muts. An die Ecke der Straße dort
Setzt ihr Tischchen mit Kupfermoneten die Wechslerin,
Hier den Stuhl der gewandte Barbier, und er schabt, nachdem
Erst entgegen dem sonnigen Strahl er ein Tuch gespannt.
Dort im Schatten die Tische des fertigen Schreibervolks,
Stets bereit zu Bericht und Suppliken und Liebesbrief:
Ob ein Knabe diktiere der fernen Ersehnten sein
Seufzen, oder ein leidendes Weib den verwiesenen
Gatten tröste, verbannt nach entlegener Insel, ihn,
Der sein freies Gemüt in dem untersten Kerker quält
Hoffnungslos, und den Lohn, der erhabenen Tugend Lohn
Erntet.- Aber entferne die schattende Wolke, Schmerz! –

Auch zum Molo bewegt sich die Menge, wo hingestreckt
Sonnt die nackenden Glieder der bräunliche Lazzaron.
Capri siehst du von fern in dem ruhigen Wellenspiel;
Schiffe kommen und gehn, es erklettern den höchsten Mast
Flugs Matrosen, es ladet die Barke dich ein zur Fahrt.
Den Erzähler indessen umwimmelt es, Jung und Alt,
Stehend, sitzend, zur Erde gelagert und übers Knie
Beide Hände gefaltet, in horchender Wißbegier:
Roland singt er, er singt das gefabelte Schwert Rinalds;
Oft durch Glossen erklärt er die schwierigen Stanzen, oft
Unterbrechen die Hörer mit mutigem Ruf den Mann.
Aufersteh o Homer! Wenn im Norden vielleicht man dich
Kalt wegwiese von Türe zu Tür, oh so fändst du hier
Ein halbgriechisches Volk und ein griechisches Firmament! –

Mancher Dichter vielleicht, in der Öde des Nords erzeugt,
Schleicht hier unter dem Himmel des Glücks, und dem Heimatland
Stimmt er süßen Gesang und gediegenen Redeton,
Den es heute vermag zu genießen und morgen noch,
Der zunimmt an Geschmack mit den Jahren, wie deutscher Wein:
Freiheit singt er und männliche Würde der feigen Zeit,
Schmach dem Heuchler und Fluch dem Bedrücker und Jedem, der
Knechtschaft prediget, welche des Menschengeschlechts Verderb.
Ach, nicht wähnt er den Neid zu besiegen und weilt entfernt,
Taub den Feinden und hoffend, es werde die spätre Welt
Spreu von Weizen zu scheiden verstehn. – Wie erhaben sinkt
Schon die Sonne! Du ruhst in der Barke, wie süß gewiegt!
Weit im Zirkel umher, an dem busigen Rand des Golfs,
Zünden Lichter und Flämmchen sich an in Unzähligkeit,
Und mit Fackeln befahren die Fischer das goldne Meer.
O balsamische Nächte Neapels! Erläßlich scheint′s,
Wenn auf kurze Minuten das schwelgende Herz um euch
Selbst Sankt Peter vergißt und das göttliche Pantheon,
Monte Mario selbst, und o Villa Pamfili, dich,
Deiner Brunnen und Lorbeerumschattungen kühlsten Sitz! –

Doch der Morgen erscheint, und der Gipfel des Tags nach ihm:
Traust du schon dem Gelispel der Welle dich an? Wohin?
Führt ein Wind die Orangengerüche Sorrents heran?
Ja, schon schimmert von fern an dem Strande, mit Tassos Haus,
Jene felsige Stadt, die berauschende, voll von Duft.

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Gedicht: Bilder Neapels von August von Platen

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Bilder Neapels“ von August von Platen ist eine lebhafte und detailreiche Momentaufnahme des Lebens in Neapel im 19. Jahrhundert.

Die ersten Verse beschreiben die Stadt als einen Ort des Genusses, des „beweglichen Augenblicks“, der Liebe und der Vergessenheit des Leids. Der Dichter fordert den Fremden auf, Neapel zu erleben und im Idealfall sogar dort zu sterben. Diese provokante Einleitung setzt den Ton für die folgende, bildreiche Darstellung, die von der Schönheit der Landschaft bis zur Hektik des Stadtlebens reicht. Die verwendete Sprache ist reich an Adjektiven und Bildern, die die Sinne ansprechen und den Leser in die Atmosphäre Neapels eintauchen lassen.

Das Gedicht entfaltet ein breites Panorama der neapolitanischen Gesellschaft, von den einfachen Fischern und den bettelnden Mönchen bis hin zu den eleganten Tänzerinnen und den geschäftigen Händlern. Der Autor beschreibt detailreich die verschiedenen Aspekte des Lebens, die auf der einen Seite von Lebensfreude und Sinnlichkeit geprägt sind (Tarantella, blühender Jüngling), auf der anderen Seite aber auch von Armut, Hektik und Ungleichheit (Bettelnde Mönche, Verkäufer und Käufer Lärm). Diese Gegensätze spiegeln die Ambivalenz des Lebens in Neapel wider, die sowohl Anziehungskraft als auch Gefahr birgt.

Ein besonderes Augenmerk wird auf die Kunst und Kultur der Stadt gelegt. Es gibt Hinweise auf klassische und zeitgenössische Kunstformen und Künstler, von antiken Philosophen bis hin zu den Dichtern des 19. Jahrhunderts. Der Dichter feiert die Schönheit Neapels und vergleicht die Stadt mit dem antiken Griechenland. Das Gedicht endet mit einem Loblied auf die sinnlichen Nächte Neapels und der Verheißung eines neuen Tages voller Erlebnisse. Das Gedicht endet mit dem Gefühl, dass Neapel ein Ort des Glücks und der Schönheit ist, der dazu einlädt, das Leben in vollen Zügen zu genießen, obwohl das Leben auch seine Schattenseiten hat.

Abschließend lässt sich sagen, dass das Gedicht eine Hommage an Neapel ist, aber auch ein Spiegelbild der menschlichen Existenz. Es ist eine Einladung an den Leser, die Freuden und Leiden des Lebens in vollen Zügen zu erleben und die Schönheit der Welt zu genießen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.