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Abend [1]

Von

Müde webt
Stumpfen dämmert
Beten lastet
Sonne wundet
Schmeichelt
Du.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Abend [1] von August Stramm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Abend“ von August Stramm präsentiert in knappen Worten eine Momentaufnahme des Abendgefühls. Es zeichnet sich durch eine stark reduzierte Sprache aus, die typisch für den Expressionismus ist. Statt vollständiger Sätze dominieren einzelne Wörter und kurze Wortgruppen, die auf emotionale Eindrücke und Stimmungen abzielen. Der Titel „Abend“ gibt den thematischen Rahmen vor, und die gewählten Begriffe entfalten in ihrer Verdichtung eine eindringliche Wirkung.

Das Gedicht beginnt mit dem Wort „Müde“, das sofort die körperliche Erschöpfung und den Übergang in den Abend einleitet. Das Verb „webt“ deutet auf ein langsames, verwebendes Geschehen, das in Verbindung mit dem folgenden „Stumpfen“ die Verdunkelung und das Nachlassen der Sinne unterstreicht. Die Zeile „Beten lastet“ evoziert ein Gefühl der Schwere, sowohl im physischen als auch im spirituellen Sinne. Die Kürze und der Verzicht auf verbindende Wörter verstärken die Isolation und die Konzentration auf das Wesentliche.

Die Zeilen „Sonne wundet / Schmeichelt“ bilden einen Kontrast. „Sonne wundet“ suggeriert die Intensität des Sonnenuntergangs, die gleichermaßen Schönheit und Schmerz auslösen kann. Das Wort „wundet“ impliziert eine Verletzung, ein Eindringen, das die Atmosphäre des Abends prägt. Demgegenüber steht „Schmeichelt“, was eine sanftere, fast liebevolle Geste andeutet. Diese Ambivalenz spiegelt die widersprüchlichen Gefühle wider, die mit dem Abend verbunden sein können.

Der Abschluss des Gedichts, das einzelne Wort „Du“, könnte sich an eine geliebte Person oder eine innere Instanz richten. Es ist der Höhepunkt der Stille und der Emotion, das Gedicht endet in einer Anrede und in der Vergegenwärtigung eines Gegenübers. Dieses kurze, aber kraftvolle Wort gibt dem Gedicht eine persönliche Dimension. Durch die Reduzierung auf das Nötigste und die Fokussierung auf einzelne, emotional aufgeladene Worte erzeugt Stramm eine dichte Atmosphäre, die den Leser dazu anregt, über die Bedeutung und die Stimmung des Abends nachzudenken.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.