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Die Dichterin/ Fragment aus der Blechschmiede

Von

Powrer noch als Zink und Zinn
ist die deutsche Dichterin.

Vor der ersten gelben Primel
leiert sie ihr Lenzgeschwimel.

Lilien, Heliotropen, Rosen
wiegen sie in Duftnarkosen.

Hyazinthen und Azalien
frisst ihr Vers wie Viktualien.

Zwischen Rittersporn und Malven
knallt sie ihre Liedersalven.

In Salbei und Türkenbund
weint sie sich die Aeuglein wund.

Hinter ihr mit ernster Miene
runzelt sich die Georgine.

Erst die herbstlich blaue Aster
klebt auf ihre Wunde Pflaster.

Träumt sie nächtens von Melissen,
klammert sie sich um die Kissen.

Centifolien, Mohn und Nelken,
einsam muss ich hier verwelken!

Tuberosen, Nachtviolen,
und sie wälzt sich wie auf Kohlen.

Da, auf einem Besenstiel,
naht ein Marschall namens Niel.

Naht sich Bakkios mit dem Eppich,
krümmt sich ihres Leibes Teppich.

Naht sich Gabriel, der Engel,
greift sie nach dem Tulpenstengel.

Küsst das Morgenrot Verbenen,
sehrt sie immer noch ihr Sehnen.

Kaiserkronen und Jasmin,
endlich, endlich hat sie ihn!

Raden, Wegerich und Rapps,
ach, er ist ein zweiter Abs.

Hühnerfuss und Hahnenkamm,
endlich nennt man sie Madamm.

Durch Kamelien und Kakteeen,
hat sie ihn zuerst gesehen.

Bienen summten um den Stock,
blaugrün war sein Havelock.

Klang ein Lied ihr „Still im Stillen“,
und sie glitt in die Kamillen.

Schämig hauchten die Skabiosen,
kuck, das Kind hat keine Hosen!

Zärtlich seufste das Reseda,
ach, sie ist so lieb wie Leda!

Keusch am Busen blaue Veilchen,
kocht sie ihm jetzt Käsekeilchen.

Meiran, Dill und Krauseminze,
alle Mittwoch bäckt sie Plinze.

Bohnen, Erbsen, Weisskohl, Wrucken
stopft sie ihm in alle Lucken.

Und welch eigne Poesie
schafft ihm erst ihr Sellerie!

Schon fragt sie ein Tausendschönchen:
wirds ein Töchterchen, ein Söhnchen?

Rosmarin und Amaranth,
schliesslich siegt das Wickelband!

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Gedicht: Die Dichterin/ Fragment aus der Blechschmiede von Arno Holz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Dichterin“ von Arno Holz ist eine satirische Abrechnung mit der romantischen Überhöhung des Dichtertums und insbesondere der weiblichen Dichtkunst. Es nutzt eine Fülle an floralen Metaphern und verspielten Reimen, um eine Dichterin zu beschreiben, deren Gefühlsleben und poetische Ambitionen von übertriebenen Klischees geprägt sind. Der Text parodiert die üblichen Bilder von Sehnsucht, Ekstase und dem Leiden der Künstlerin, indem er sie mit einer skurrilen und grotesken Note versieht.

Die Dichterin wird in einem Zustand ständiger floraler Entrückung dargestellt, die von Primeln über Lilien bis hin zu exotischen Blumen wie Tuberosen und Azalien reicht. Ihre Verse sind dabei nicht von tiefer Bedeutung, sondern von einer „Duftnarkose“ geprägt, die sie in einem Zustand der Selbstverliebtheit gefangen hält. Holz nutzt eine Vielzahl von Pflanzen, um die überbordende Emotionalität und die Ästhetik des Überflusses zu karikieren. Die vielen Blumen und die ständige Erwähnung von Gerüchen und Farben erzeugen ein Bild von Überreizung und Künstlichkeit, das die tatsächliche emotionale Tiefe des Gedichts untergräbt.

Die Satire entfaltet sich vor allem in der Darstellung der Liebe und des Liebesglücks der Dichterin. Der „Marschall namens Niel“, Bakkios, Gabriel, der Engel, und schließlich „Abs“ sind Männer, die sie begehrt. Die Erfüllung ihrer Sehnsucht, die in Form eines Mannes namens Abs eintritt, wird als Triumph dargestellt, der jedoch durch die anschließende triviale Darstellung des Alltagslebens und die Frage nach Kindern entlarvt wird. Die satirische Pointe liegt darin, dass die ersehnte Liebe die Dichterin nicht in eine höhere Sphäre hebt, sondern sie in banale häusliche Pflichten verstrickt. Der Fokus verlagert sich von romantischer Verklärung auf das Kochen und die Zubereitung von Speisen, was die Absurdität der klischeehaften Erwartungen an das weibliche Dasein unterstreicht.

Die sprachliche Gestaltung des Gedichts trägt wesentlich zu seiner satirischen Wirkung bei. Holz verwendet eine reiche, oft übertriebene Sprache, die mit zahlreichen Adjektiven und Metaphern arbeitet. Die Reime sind einfach und manchmal sogar holprig, was den Eindruck der Übertreibung und Künstlichkeit verstärkt. Der Einsatz von Wortspielen und die Kombination von hoher und niederer Sprache, von romantischen Bildern und banalen Details erzeugen einen humorvollen Kontrast. Durch diesen Stil erzeugt Holz einen kritischen Kommentar auf die Art und Weise, wie weibliche Dichterinnen und ihre Gefühle oft idealisiert und zugleich trivialisiert wurden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Die Dichterin“ eine brillante Satire auf das übertriebene Frauenbild und die romantische Dichtkunst ist. Holz entlarvt die Klischees und das Pathos, indem er die Dichterin in einer Welt der Blumen, der Sehnsucht und der trivialen häuslichen Pflichten gefangen hält. Durch die Verwendung einer überbordenden Sprache, skurriler Bilder und humorvoller Reime gelingt es ihm, die Künstlichkeit und Leere der romantischen Vorstellung vom Dichterleben zu entlarven.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.