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Die Erzstufe

Von

Ja Blitze, Blitze! der Schwaden drängt
Giftiges Gas am Risse hinaus,
Auf einem Blitze bin ich gesprengt
Aus meinem funkelnden Kellerhaus.
O, wie war ich zerbrochen und krank,
Wie rieselt′s mir über die blanke Haut,
Wenn langsam schwellend der Tropfen sank,
Des Zuges Schneide mich angegraut!

Kennst du den Bergmönch, den braunen Schelm,
Dem auf der Schulter das Antlitz kreist?
Schwarz und rauh wie ein rostiger Helm,
Wie die Grubenlampe sein Auge gleißt.
O, er ist böse, tückisch und schlimm!
Mit dem Gezähe hackt er am Spalt,
Bis das schwefelnde Wetter im Grimm
Gegen die weichende Rinde schwallt.

Steiger, bete! du armer Knapp′,
Dem in der Hütte das Kindlein zart,
Betet! betet! eh ihr hinab,
Eh zum letzten Male vor Ort ihr fahrt.
Sieben Nächte hab′ ich gesehn
Wie eine Walze rollen den Nacken
Und die Augen funkeln und drehn
Und das Gezähe schürfen und hacken.

Dort, dort hinter dem reichen Gang
Lauert der giftige Brodem; da,
Wo der Kobold den Hammer schwang,
Wo ich am Bruche ihn schnuppern sah.
Gleich dem Molche von Dunste trunken
Schwoll und wackelt′ der Gnom am Grund,
Und des Gases knistemde Funken
Zogen in seinen saugenden Schlund.

Bete, Steiger, den Morgenpsalm
Einmal noch und dein »walt′s Gott«,
Deinen Segen gen Wetters Qualm,
Gäh Verscheiden und Teufelsrott′.
Schau noch einmal ins Angesicht
Deinem Töchterchen, deinem Weib,
Und dann zünde das Grubenlicht.
»Gott die Seele, dem Schacht der Leib!«

Sie sind vor Ort, die Lämpchen rund
Wie Irrwischflämmchen aufgestellt.
Die Winde keucht, es rollt der Hund,
Der Hammer pickt, die Stufe fällt,
An Bleigewürfel, Glimmerspat
Zerrinnend, malt der kleine Strahl
In seiner Glorie schwimmend Rad
Sich Regenbogen und Opal.

Die Winde keucht, es rollt der Hund. —
Hörst du des Schwadens Sausen nicht?
Wie Hagel bröckelt es zum Grund —
Der Hammer pickt, die Stufe bricht; —
Weh, weh! es zündet, flammt hinein!
Hinweg! es schmettert aus der Höh′!
Felsblöcke, zuckendes Gebein!
Wo bin ich? — bin ich? — auf der See?
Und welch′ Geriesel — immer immerzu,
Wie Regentropfen, regnet′s?

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Gedicht: Die Erzstufe von Annette von Droste-Hülshoff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Erzstufe“ von Annette von Droste-Hülshoff beschreibt in eindringlichen Bildern die Gefahren und die Atmosphäre eines Bergwerks. Es handelt von dem Moment, in dem eine verheerende Grubenkatastrophe droht, und schildert die letzten Momente der Bergleute, bevor das tödliche Grubengas explodiert. Das Gedicht ist in sieben Strophen unterteilt und verwendet eine düstere, bildreiche Sprache, um die beklemmende Situation zu vermitteln.

In den ersten Strophen wird die Bedrohung durch das Grubengas, den „Schwaden“, und die damit verbundene Angst der Bergleute deutlich. Die Autorin verwendet eine Mischung aus Naturbildern wie Blitze und Tropfen sowie Beschreibungen der rauen Arbeitsumgebung, um die gefährliche Situation darzustellen. Das Bild des „Bergmönchs“, ein personifizierter Berggeist oder Dämon, unterstreicht die Gefahren der Grube und die Vorstellung des Todes, der jederzeit lauern kann. Die Verwendung von Begriffen aus der Bergmannssprache wie „Gezähe“ und „Knapp“ verstärkt die Authentizität und Authentizität des Gedichts.

Die mittleren Strophen konzentrieren sich auf die letzten Gebete und Gedanken der Bergleute. Die Aufforderung zum Gebet und der Abschied von den Angehörigen zeigen die Verzweiflung und die Ahnung des Todes. Die Autorin betont die menschliche Seite der Bergleute, indem sie ihre Sorge um ihre Familien und ihr Bewusstsein für ihr baldiges Ableben hervorhebt. Die Erwähnung der Kinder und Frauen verstärkt die emotionale Wirkung und die Tragik der Situation. Die detaillierte Beschreibung des Grubenlichts, das die letzte Hoffnung symbolisiert, bevor es von der Katastrophe verschluckt wird, verstärkt das Gefühl der Beklommenheit.

Die letzten Strophen schildern das Unvermeidliche: die Explosion des Grubengases und das daraus resultierende Chaos. Die Verwendung von Ausrufen wie „Weh, weh!“ und direkten Fragen verdeutlichen die Panik und das Entsetzen der Bergleute. Die Metaphern von „Felsblöcken, zuckendes Gebein“ verstärken die Gewalt und die Zerstörung. Das Gedicht endet mit einem Gefühl des Verlusts und der Verwirrung, wobei die letzten Worte die Orientierungslosigkeit und das tragische Ende der Bergleute widerspiegeln. Die abschließenden, sich wiederholenden Fragen unterstreichen die Verzweiflung und das Entsetzen.

Insgesamt ist „Die Erzstufe“ ein erschütterndes Gedicht, das die Härten des Bergbaus und die ständige Bedrohung durch den Tod darstellt. Droste-Hülshoff verwendet eine kraftvolle Sprache und eindringliche Bilder, um die Atmosphäre der Angst und des Leidens in der Grube zu vermitteln. Das Gedicht ist eine ergreifende Hommage an die Bergleute und eine Mahnung an die zerstörerische Kraft der Natur.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.