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Das Hirtenfeuer

Von

Dunkel, dunkel im Moor,
über der Heide Nacht,
nur das rieselnde Rohr
neben der Mühle wacht,
und an des Rades Speichen
schwellende Tropfen schleichen.

Unke kauert im Sumpf,
Igel im Grase duckt,
in dem modernden Sumpf
schlafend die Kröte zuckt,
und am sandigen Hange
rollt sich fester die Schlange.

Was klimmt dort hinterm Ginster
und bildet lichte Scheiben?
Nun wirft es Funkenflinster,
die löschend niederstäuben;
nun wieder alles dunkel –
ich hör′ des Stahles Picken,
ein Knistern, ein Gefunkel,
und auf die Flammen zücken.

Und Hirtenbuben hocken
im Kreis umher, sie strecken
die Hände, Torfes Brocken
seh ich die Lohe lecken;
da bricht ein starker Knabe
aus des Gestrüppes Windel
und schleiftet nach im Trabe
ein wüst Wacholderbündel.

Er läßt′s am Feuer kippen –
hei, wie die Buben johlen
und mit den Fingern schnippen
die Funken-Girandolen!
Wie ihre Zipfelmützen
am Ohre lustig flattern,
und wie die Nadeln spritzen,
und wie die Äste knattern!

Die Flamme sinkt, sie hocken
aufs neu umher im Kreise,
und wieder fliegen Brocken,
und wieder schwelt es leise;
glührote Lichter streichen
an Haarbusch und Gesichte,
und schier Dämonen gleichen
die kleinen Heidewichte.

Der da, der Unbeschuhte,
was streckt er in das Dunkel
den Arm wie eine Rute,
im Kreise welche Gemunkel?
Sie spähn wie junge Geier
von ihrer Ginsterschütte:
ha, noch ein Hirtenfeuer,
recht an des Dammes Mitte!

Man sieht es eben steigen
und seine Schimmer breiten,
den wirren Funkenreigen
übern Wacholder gleiten;
die Buben flüstern leise,
sie räuspern ihre Kehlen,
und alte Heideweisen
verzittern durch die Schmehlen.

»Helo, helo!
Heloe, loe!
Komm du auf unsre Heide,
wo ich mein Schäflein weide,
komm, o komm in unser Bruch,
da gibt′s der Blümelein genug! –
Helo, heloe!«

Die Knaben schweigen, lauschen nach dem Tann,
und leise durch den Ginster zieht′s heran:

Gegenstrophe.

»Helo, heloe!
Ich sitze auf dem Walle,
meine Schäflein schlafen alle,
komm, o komm in unsern Kamp,
da wächst das Gras wie Bram so lang! –
Helo, heloe!
Heloe, loe!«

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Gedicht: Das Hirtenfeuer von Annette von Droste-Hülshoff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Hirtenfeuer“ von Annette von Droste-Hülshoff beschreibt eine nächtliche Szene in einer Moorlandschaft, die von einem Hirtenfeuer und den dazugehörigen Knaben geprägt ist. Das Gedicht beginnt mit einer Beschreibung der dunklen und stillen Natur, in der nur das Rauschen des Rohrs und die schlafende Kröte im Sumpf erkennbar sind. Diese düstere Atmosphäre wird durch das Aufleuchten des Hirtenfeuers unterbrochen, das die Knaben in seinem Schein versammelt.

Die Interpretation des Gedichts kann in mehrere Aspekte aufgeteilt werden. Zunächst die Atmosphäre, in der das Gedicht angesiedelt ist: Die Strophen beschreiben die Natur in der Nacht und erzeugen eine unheimliche, geheimnisvolle Stimmung. Durch die Beschreibung der Tiere und der Landschaft wird eine gewisse Spannung aufgebaut, die durch das Feuer, das plötzlich erscheint, unterbrochen wird. Das Feuer selbst wird zum Zentrum des Geschehens, wo sich die Hirtenknaben versammeln und mit den Flammen spielen. Dies kontrastiert mit der Stille und Dunkelheit der Umgebung.

Das Gedicht thematisiert auch die Verbindung von Natur und Mensch. Die Hirtenknaben, die sich am Feuer versammeln, scheinen mit der Natur zu verschmelzen. Sie werden als „Heidewichte“ bezeichnet, wodurch eine gewisse Nähe zur heidnischen Tradition angedeutet wird. Der Bezug zum „Dämonen“ in den Zeilen deutet auf eine gewisse Gefährlichkeit und das Unheimliche in der Naturszene hin, ein Gefühl, das durch die mysteriösen Gesänge und die unheimliche Stille der Landschaft verstärkt wird.

Die abschließenden Strophen führen einen Dialog ein, der an alte Heideweisen erinnert. Diese Verse, die durch das Feuer verstärkt werden, erzeugen eine fast mythische Atmosphäre, in der die Grenze zwischen Realität und Fantasie verschwimmt. Die Beschwörungen und die Naturverbundenheit der Knaben verstärken den Eindruck einer uralten Tradition, die in der Stille des Moors wiederauflebt. Das Gedicht endet mit einer offenen Frage und lässt den Leser in der Geheimnisvollen Welt der Hirten und der Nacht zurück.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.