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An Denselben

Von

Milon, gestern war ich selig,
Wie ein Sonnenbürger ist:
Ach mein Auge hat unzählig
Diese Stirne sanft geküßt,
Die der Mahler kaum so göttlich
Mahlen wird, als du sie hast.
Mache mir doch künftig spöttlich
Nicht die Tage mehr zur Last –
O was hab ich ausgestanden,
Als Zemire ward gespielt,
Und mich deine Blicke fanden,
Und ich nicht den Trost erhielt,
Daß du in der Nähe bliebest.
Sage mir, warum du so
Meiner Seele Kummer liebest?
Sprich, warum dein Fuß entfloh,
Daß ich deiner vollen Schläfe
Feine Locken nicht mehr sah?
Denke nur, wie mir geschah,
Fast als ob ein Blitz mich träfe,
Weinen wollt ich eine Fluth,
Durfte nicht und mussts ersticken.
Schmerz durchflammete mein Blut,
Wehmut saß in meinen Blicken,
Bis Zemirens Rose kam,
Und ich meine Rosen dachte,
Und der gar zu schwere Gram
Sich durch Thränen leichter machte.

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Gedicht: An Denselben von Anna Louisa Karsch

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An Denselben“ von Anna Louisa Karsch ist ein ergreifender Liebesbrief, der die tiefe Sehnsucht und den Schmerz der Sprecherin nach der Abwesenheit ihres Geliebten, Milon, zum Ausdruck bringt. Es zeichnet sich durch eine intime und emotionale Sprache aus, die die Intensität ihrer Gefühle unmittelbar erfahrbar macht. Der Text beginnt mit der Erinnerung an ein glückseliges Gestern, in dem die Sprecherin die Nähe und Zuneigung Milon’s in vollen Zügen genossen hat.

Die zentralen Themen des Gedichts sind die Liebe, die Sehnsucht und der Schmerz über die Trennung. Die Sprecherin beschreibt detailreich die Qualen, die sie während der Abwesenheit Milon’s durchlitten hat. Die Erwähnung der Schauspielerin Zemire und die Reaktion der Sprecherin auf sie deuten auf Eifersucht und Unsicherheit hin. Die „Blicke“ Milon’s, die sie gefunden haben, werden als Quelle des Leids dargestellt, da sie keinen Trost in seiner Nähe fand. Dies verdeutlicht die tiefe Abhängigkeit der Sprecherin von der Liebe und Zuwendung Milon’s. Die Verwendung von Begriffen wie „Kummer“, „Schmerz“, „Wehmut“ und „Gram“ unterstreicht die Intensität der negativen Emotionen.

Das Gedicht ist strukturiert als eine Abfolge von Erinnerungen und Fragen, die die Sprecherin an Milon richtet. Sie fragt nach den Gründen für sein Verhalten und drückt ihre Verzweiflung über seine Entfremdung aus. Der Wechsel von Lobpreisungen auf Milon’s Schönheit und die Freude über die vergangene Nähe zu Klagen über die gegenwärtige Trennung erzeugt einen starken Kontrast und verdeutlicht die Zerrissenheit der Sprecherin. Die Metapher des Blitzes und die anschließenden Tränen illustrieren die Heftigkeit der emotionalen Reaktion auf die Abwesenheit Milon’s.

Karsch verwendet eine einfache, aber eindringliche Sprache, die direkt und ungekünstelt die Gefühlswelt der Sprecherin widerspiegelt. Die Verwendung von rhetorischen Fragen, insbesondere „Warum?“, unterstreicht die Verwirrung und das Bedürfnis nach Verständnis. Die Bilder von „feinen Locken“ und der „vollen Schläfe“ erzeugen ein sinnliches Gefühl der Sehnsucht und des Verlustes. Das Gedicht endet mit einer Andeutung der Erleichterung durch die Tränen, die den Schmerz lindern. Insgesamt ist „An Denselben“ ein zutiefst persönliches und emotionales Gedicht, das die Komplexität der Liebe und die Verwundbarkeit des Herzens in Abwesenheit des Geliebten einfühlsam darstellt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.