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Morgen Sonnet

Von

Die ewig helle Schar will nun ihr Licht verschlissen,
Diane steht erblaßt; die Morgenröthe lacht
Den grauen Himmel an, der sanfte Wind erwacht
Und reizt das Federvolk, den neuen Tag zu grüßen.

Das Leben dieser Welt eilt schon die Welt zu küssen,
Und steckt sein Haupt empor, man sieht der Strahle Pracht
Nun blinken auf der See: O dreimal höchste Macht
Erleuchte den, der sich jetzt beugt vor deinen Füßen.

Vertreib die dicke Nacht, die meine Seel′ umgibt,
Die Schmerzen Finsternis, die Herz und Geist betrübt.
Erquicke mein Gemüth und stärke mein Vertrauen.

Gib, dass ich diesen Tag in deinem Dienst allein
Zubring′ und wenn mein End′ und jener Tag bricht ein,
Daß ich dich, meine Sonn, mein Licht, mög′ ewig schauen.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Morgen Sonnet von Andreas Gryphius

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Morgen Sonnet“ von Andreas Gryphius ist eine eindringliche Reflexion über das Erwachen der Natur und die gleichzeitige Suche nach spiritueller Erleuchtung. Es beginnt mit der Beschreibung des Morgens, in der die Dämmerung allmählich der Helligkeit weicht, die Sonne aufsteigt und die Natur erwacht. Die Personifikation der „ewig hellen Schar“ und der „Diane“ (der Mondgöttin) verleiht der Szene eine mythologische Dimension, die die Schönheit und den Wandel des Tages unterstreicht. Der Dichter nutzt diese Naturbilder als Ausgangspunkt für eine persönliche Andacht, ein Gebet um spirituelle Erneuerung.

Der zweite Teil des Sonetts wendet sich der persönlichen Not des Dichters zu. Er bittet Gott, die „dicke Nacht“ zu vertreiben, die seine Seele umgibt, und die „Schmerzen Finsternis“ zu erhellen, die Herz und Geist betrüben. Diese Zeilen deuten auf eine innere Zerrissenheit, auf Leid und Dunkelheit, die der Dichter überwinden möchte. Die Bitte um „Erquickung“ und „Stärke“ des Vertrauens offenbart den Wunsch nach Trost und innerem Frieden, der durch die göttliche Gnade erfahren werden soll. Die Metapher der Nacht steht hier für die inneren Dämonen, die Zweifel und Ängste, die überwunden werden wollen.

Die abschließenden Verse sind ein Gelöbnis des Dichters an Gott, den Tag in seinem Dienst zu verbringen. Er wünscht sich, seine Tage der Religion zu widmen, die von Gryphius in dem Glauben an Gott verkörpert wird. Die Wiederholung des Wortes „mein“ in der letzten Zeile unterstreicht die Intimität des Gebets und die tiefe Verbundenheit des Dichters mit Gott. Die Anrufung „meine Sonn, mein Licht“ verdeutlicht die Erwartung, dass Gott ihm auch im Angesicht des Todes zur Seite stehen und ihm ewiges Licht schenken wird.

Insgesamt ist das Sonett ein Gebet, das die Schönheit der Natur mit der Sehnsucht nach spiritueller Erleuchtung verbindet. Gryphius nutzt die Bilder des Morgens, um über die Vergänglichkeit des irdischen Lebens und die Hoffnung auf ewiges Licht nachzudenken. Es ist ein Zeugnis der Religiosität des Barock, das die Verbindung von Natur, persönlichem Leid und dem Streben nach göttlicher Gnade auf eindringliche Weise darstellt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.