Im Freien
Komm, Mädchen, mit mir Hand in Hand
Dahin zum schatt′gen Blumenstrand,
Dort weht so linde Frühlingsluft
Und hauchet süßen Balsamduft.
Es murmelt traut der nahe Quell,
Es drückt sich liebend Well′ an Well′,
Am Strand ein junges Blümchen keimt,
An welches mild das Bächlein schäumt.
Dort girren Täubchen sonder Rast
Auf schattig kühnem Eichenast,
Es scheint, als ob sie wechselweis
Sich stritten um der Liebe Preis.
Sieh! wie sich alles freudig regt,
Doch wenn die Scheidestund′ uns schlägt,
Ist alles traurig, still, und ach! –
Es schweigen Tauben, Luft und Bach.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Im Freien“ von Anastasius Grün ist eine zarte Liebeserklärung, eingebettet in die idyllische Natur, und verknüpft die Freude und Lebendigkeit des Frühlings mit dem drohenden Abschied und der Melancholie des Vergessens. Der Dichter lädt ein Mädchen ein, ihn in die Natur zu begleiten, wo die erweckende Frühlingsluft und der Duft der Blumen eine Atmosphäre der Zärtlichkeit schaffen. Die Verwendung des Wortes „Komm“ am Anfang und der Aufruf zur Vereinigung durch „Hand in Hand“ etablieren sofort eine Intimität und laden die Leserin ein, in diese romantische Szene einzutauchen.
Die Naturbilder, die im Gedicht beschrieben werden, sind von großer Symbolkraft. Der murmelnde Quell, der sich liebende Wellengang und das junge Blümchen, das vom Bach umsorgt wird, stehen für die Unschuld und das Werden der Liebe. Das Girren der Täubchen symbolisiert die gegenseitige Zuneigung und den Wunsch nach Gemeinschaft. All diese Elemente der Natur spiegeln die aufkeimende Liebe und die Sehnsucht nach Verbundenheit wider. Der Dichter scheint die Natur als Spiegelbild seiner eigenen Gefühle zu nutzen, indem er die Harmonie der natürlichen Welt mit der Harmonie der Liebe vergleicht.
Die zweite Hälfte des Gedichts wendet sich jedoch einer tieferen Melancholie zu. Die Freude des Augenblicks und die Lebendigkeit der Natur stehen der unausweichlichen Gewissheit des Abschieds gegenüber. Wenn die „Scheidestund’“ naht, ändert sich die Stimmung grundlegend. Alles, was zuvor so lebendig war – die Täubchen, die Luft und der Bach – verstummt und trauert. Dieser Übergang von Freude zu Trauer ist ein zentrales Thema, das die Vergänglichkeit der Liebe und des Lebens selbst thematisiert.
Die Stärke des Gedichts liegt in seiner einfachen, gefühlvollen Sprache und der klaren Verwendung von Naturbildern, um die Emotionen des Dichters zu transportieren. Grün gelingt es, die Gegensätze von Freude und Trauer, von Liebe und Verlust in ein prägnantes und ergreifendes Gedicht zu packen. Das Gedicht endet mit einer offenen Frage, wie man mit den Verlusten umgehen kann, wenn die „Scheidestund'“ kommt, und lädt den Leser ein, über die Vergänglichkeit des Lebens und die Bedeutung der Liebe nachzudenken.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.