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Das Waldthal

Von

Wie süß in dir, o Waldeseinsamkeit,
Mein Thal, wo durch die grünen Blätterwogen
Der Menschheit bange Sorgen nie gezogen,
Hab′ ich verträumt die Sommerzeit!

Der Schleier war von der Natur, der Bann,
Der sie von mir getrennt, hinweggenommen,
So freundlich blickte sie mich mit den frommen,
Den seelenvollen Augen an.

Was tiefgeheim in ihrem Innern lag,
Ließ sie mich lesen in den trauten Zügen
Und lehrte mich in Menschenlaute fügen,
Was sie im Blätterlispeln sprach.

Sie hat mir Frieden in das Herz geflößt,
Antwort gegeben mir auf alle Fragen,
Die angstvoll lang ich in der Brust getragen,
Und jedes Rätsel mir gelöst.

Von dir verbannt nun, sel′ger Zufluchtsort,
Seh′ ich ihr neu ums Haupt den Schleier wallen,
Und was sie spricht, ist ein verworrnes Lallen;
Ich such′ umsonst das Lösungswort.

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Gedicht: Das Waldthal von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Waldthal“ von Adolf Friedrich Graf von Schack beschreibt eine tiefe Sehnsucht nach der Natur und deren transformative Wirkung auf das lyrische Ich. Es beginnt mit einer direkten Ansprache an das Waldtal, das als ein Ort der „Einsamkeit“ und des Rückzugs von den Sorgen der Menschheit charakterisiert wird. Die friedliche Atmosphäre wird durch die Metapher der „grünen Blätterwogen“ und die Beschreibung einer verträumten Sommerzeit unterstrichen. Die ersten Strophen etablieren somit einen Zustand der Harmonie und Verbundenheit mit der Natur, in dem der Dichter Trost und Erkenntnis findet.

Die zweite Hälfte des Gedichts nimmt eine Wendung, indem sie die Intensität dieser Verbindung hervorhebt. Das lyrische Ich erlebt eine Auflösung der Barrieren, die es von der Natur trennten, und empfängt deren Offenbarung. Die Natur wird personifiziert und als eine freundliche und seelenvolle Instanz dargestellt, die dem Dichter ihre Geheimnisse offenbart. Durch das „Lesen“ in den „trauten Zügen“ der Natur und das Verstehen ihrer Sprache, die in Blättern und Windflüstern liegt, erfährt das Ich eine tiefe Erkenntnis und findet Antworten auf seine inneren Fragen und Ängste. Die Natur wird zum Lehrer, Tröster und zur Quelle der Weisheit.

Der Kontrast zwischen dem Zustand der Verbundenheit und der nachfolgenden Trennung bildet den Kern der Tragik des Gedichts. Der letzte Abschnitt beschreibt den Verlust des Waldes als „sel’ger Zufluchtsort“. Durch die Verbannung von diesem Ort nimmt die Natur wieder ihren Schleier auf, wodurch das lyrische Ich die Botschaft der Natur nicht mehr versteht. Die Sprache wird „verworrenes Lallen“, und die Suche nach dem „Lösungswort“ bleibt erfolglos. Dieser Abschnitt verdeutlicht die Vergänglichkeit der Harmonie und die schmerzhafte Erfahrung des Verlusts der Verbindung zur Natur.

Die zentrale Thematik des Gedichts ist die Sehnsucht nach Einklang mit der Natur und die Erfahrung, dass dieser Zustand fragil und vergänglich ist. Schack nutzt eine einfache, doch eindringliche Sprache, um die tiefe emotionale Resonanz des lyrischen Ichs mit der Natur auszudrücken. Die Personifizierung der Natur, die als eine Quelle der Erkenntnis und des Trostes dargestellt wird, verdeutlicht die intime Beziehung, die der Dichter zu seiner Umgebung empfindet. Die tragische Wendung am Ende unterstreicht die Bedeutung des Verlusts dieser Verbindung und die daraus resultierende Leere. Das Gedicht ist somit eine elegische Reflexion über die Vergänglichkeit des Glücks und die Suche nach Sinn in der Natur.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.