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An den Schlaf

Von

Müd′ ist mein Auge; doch noch immer lärmen
Vor meinem Ohre wüste Lebensklänge;
Noch immer seh′ ich bunte Bilder schwärmen,
Gleich Wolken, die in farbigem Gepränge
Das Abendrot, das schimmernde, umwallen;
Wann flieht das rastlos flutende Gedränge?
Wann wird die laute Wirklichkeit verhallen?

Was säumst du, liebstes von den Zwillingskindern
Der heil′gen Nacht? Mit deinen Silberschwingen
Umfächle mich, der Stirne Glut zu lindern!
Komm, deine Wiegenlieder mir zu singen,
Süß, wie die Mutter einst sie sang dem Sohne,
Und mir im goldnen Kelch die Flut zu bringen,
Die traumreich quillt aus dem geweihten Mohne!

O aus der Fülle ihres Zauberschoßes
Gab dir die Nacht die besten ihrer Schätze!
Dein, wunderbar Knabe, ist ein großes
Endloses Land voll weicher Ruheplätze,
Voll sanfter Hügelschwellungen und Auen,
Zu denen durch die grünen Blätternetze
Die Mondenstrahlen dämmernd niedertauen.

Ja, Villen hast du neben blauen Seen
Und Gärten, wo an schattenreichen Gängen
In laub′gen Nischen Marmorbilder stehen,
Wo goldne Früchte von den Aesten hängen,
Und Duft und Sang und plätschernde Kaskaden,
Die weithin ihre Silbertropfen sprengen,
Die Liebenden zu Sommerträumen laden.

O, dein sind goldne Dome, Kuppeldächer
Und Felsenburgen über blüh′nden Thalen,
Und festgeschmückte, luftige Gemächer,
Wo nie die Lust in funkelnden Pokalen
Versiegt im Kreis der Damen und der Ritter,
Und noch das Minnelied der Provençalen
Sich schaukelt auf der wohlgestimmten Zither.

Was preis′ ich noch? Die waldbekränzten Schluchten,
Durchklungen vom Gesang der Nachtigallen?
Die frischen Halden an den Meeresbuchten,
Die sanft dem Wogenschlage wiederhallen?
Die Grotten, die, durchrauscht von Murmelbächen,
An Tropfstein und an hangenden Krystallen
Den Tagesstrahl zu ew′gem Zwielicht brechen?

Das all ist dein und mehr – endlose Minen,
Von Geistern überwachte Wunderhorte,
An Demant reich und funkelnden Rubinen,
Im Erdenschacht – – doch schwach sind meine Worte,
Die Wimper sinkt, die grellen Strahlen bleichen;
Dank, schöner Knabe! Offen steht die Pforte,
Schon geh′ ich ein zu deinen Wonnereichen.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: An den Schlaf von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An den Schlaf“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine Hommage an den Schlaf, dargestellt als ein liebenswerter Knabe, der dem lyrischen Ich Trost und Ruhe verheißt. Es ist eine sehnsuchtsvolle Beschwörung nach dem Schlaf, der als Zufluchtsort vor den Turbulenzen des Lebens und der lauten Wirklichkeit erscheint. Der Dichter beschreibt die Qualen eines müden Geistes, der von den Eindrücken des Tages geplagt wird, und sehnt sich nach der Befreiung, die der Schlaf mit sich bringt.

Die ersten beiden Strophen verdeutlichen die Unruhe und das Leid des lyrischen Ichs. Das Auge ist müde, aber die „wüste Lebensklänge“ und die „bunten Bilder“ halten es wach. Die Sehnsucht nach Ruhe und Stille wird durch die Frage nach dem Zeitpunkt des Verhallens der lauten Wirklichkeit ausgedrückt. Die zweite Strophe richtet sich direkt an den Schlaf, der als „liebstes von den Zwillingskindern der heil’gen Nacht“ angeredet wird. Der Dichter bittet den Schlaf, ihn mit seinen Silberschwingen zu umfächeln und ihm Wiegenlieder zu singen, um die Glut der Stirn zu lindern und in das Land der Träume zu entführen. Diese Anrufung unterstreicht die kindliche Sehnsucht nach Geborgenheit und Ruhe.

Die folgenden Strophen entwerfen eine Fülle von Traumbildern, die die Schönheit und Vielfalt des Schlafes widerspiegeln. Der Schlaf wird als ein Reich beschrieben, das „voll weicher Ruheplätze“ ist und von sanften Hügeln, Auen und Mondenstrahlen geprägt ist. Es werden idyllische Szenen wie Villen an blauen Seen, Gärten mit Marmorbildern und goldene Dome beschrieben. Diese detaillierten Beschreibungen erzeugen eine lebhafte Vorstellung von einem Traumreich, das voller Schönheit, Glück und ungestörter Freude ist.

Die letzten Strophen intensivieren die Sehnsucht nach dem Schlaf. Das lyrische Ich zählt eine Vielzahl von Schönheiten auf, die dem Schlaf zuzuschreiben sind: „waldbekränzte Schluchten“, „frische Halden an den Meeresbuchten“ und „Grotten“. Abschließend wird die „endlose Minen“ und „Wunderhorte“ beschrieben, die dem Schlaf zugehören, was die unendliche Tiefe und den Reichtum des Schlafes andeutet. Im letzten Vers überwindet das lyrische Ich die Müdigkeit und tritt schließlich in das Reich des Schlafes ein, womit die ersehnte Ruhe erreicht wird. Die letzten Zeilen drücken eine dankbare Ergebung und die freudige Erwartung des Eintauchens in die Welt der Träume aus.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.