Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Am Grabe Friedrichs des Zweiten

Von

1864.

Aus Palermos Blütenfülle, die mit Duft den Sinn betäubt,
Aus dem Strahlenglanz, der blendend über Meer und Gärten stäubt,
In die Gräberhalle flücht′ ich, fern dem lärmerfüllten Tag,
Dir den Totenkranz zu winden um den dunklen Sarkophag,
Mächt′ger, der um ein Jahrtausend deiner Zeit du schrittst voran,
Dessen Riesennamen bebend nur der Deutsche stammeln kann!
Laß in deiner heil′gen Stille, wo du, alles Wandels bar,
Nicht den Tag und nicht die Nacht kennst, nicht das Ist und nicht das War,
Laß mich denken, wie von Deutschlands Kaiserthrone schicksalsvoll
Einst gebietend durch die Länder deines Wortes Donner scholl;
Denken, wie vom Nord- zum Südmeer durch dein unermeßnes Reich
Du den Adler Ruhm, den kühnen, einem Edelfalken gleich,
Auf der starken Faust getragen und gespornt von Flug zu Flug,
Bis die Schwinge, alles wagend, ihn in Sonnenferne trug!
Um dich her mit Schild und Lanze, als ein eisenfester Wall,
Reihten sich die Erdenfürsten, jeder deines Throns Vasall,
Und, das Werk der Nacht zerstörend, für des Priesters Bannfluch taub,
Tratst du, die ihn dreifach krönte, die Tiara in den Staub,
Während an dein eh′rnes Deutschland du das sonn′ge Morgenland
Und des Südens heitre Küsten bandest mit gewalt′ger Hand. –
Aber weh! die hehren Bilder, wer verhüllt sie meinem Blick?
Neuen, immer neuen Wechsel bringt das rollende Geschick,
Und durch siebenhundert Jahre seh′ ich wie im Traumgesicht
Finstrer stets den Himmel kreisen mit erloschnem Sternenlicht,
Seh′ dein Reich in Trümmer sinken, daß, zerbröckelt und zernagt,
Selten noch ein halbgebrochner Pfeiler aus dem Schutte ragt;
Weithin geht durch seine Zinnen, seinen Wall der Riß hindurch,
Und am Boden liegt die starke, liegt die heil′ge Völkerburg.
Trauernd über deinem Lande hat der Genius sich verhüllt;
Von den eignen Söhnen wurde seiner Schande Maß erfüllt;
Seine Lenker in Verblendung denken nicht der Zeit, die war,
Als sich herrschend über alle schwang der doppelhäupt′ge Aar,
Nicht sein Volk, daß ihm der Kaiser, was dem Schiffer der Pilot;
Ohne ihn auf stürm′schem Meere sinkt es selbst im lecken Boot.
Nun verzagend stehn sie alle, da der Boden kracht und wankt;
Wilder tobt um sie die Woge, und der Kompaß trügt und schwankt;
Doch vergebens rollt der Donner mahnend über ihrem Haupt;
In den jähen Abgrund stürzen sie sich selber sinnberaubt.
So dein Land, erhabner Kaiser! Morsch ist alles drinn und hohl;
In der Zeiten Wirbelströmen treibt es ohne Stern und Pol.
Wohl dir, daß dein Auge nimmer schaut dies deutsche Jammerbild!
Möge Trauerflor umhüllen dein berühmtes Wappenschild!
Um dich her im Traume magst du deine Heldensöhne stehn
Und die Schatten der vergangnen großen Tage gleiten sehn;
Doch kein Laut des Lebens dringe, Herrlicher, zu dir herab,
Als das Rauschen deiner Fahnen, wie sie wehen um dein Grab.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Am Grabe Friedrichs des Zweiten von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Am Grabe Friedrichs des Zweiten“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine elegische Reflexion über den Niedergang des Reiches, das unter Friedrich II. erblühte. Der Autor wählt den Ort des Grabes des Kaisers, um eine Betrachtung über vergangene Größe und gegenwärtigen Verfall anzustellen. Es ist ein melancholischer Rückblick auf eine Epoche, die von Macht, Ruhm und kultureller Blüte geprägt war, gefolgt von einer düsteren Analyse des gegenwärtigen Zustands Deutschlands.

Die ersten Strophen zeichnen ein lebendiges Bild der Vergangenheit. Schack beschreibt die Pracht von Friedrichs Reich, die Macht des Kaisers, der „durch die Länder deines Wortes Donner scholl“, und die Einheit des Reiches, in der Fürsten wie Vasallen den Kaiser unterstützten. Er vergleicht Friedrich mit einem Adler, der sein Reich „von Nord- zum Südmeer“ ausdehnte. Diese Bilder von Stärke und Größe dienen als Kontrast zum folgenden Bild des Zerfalls. Der Dichter idealisiert die Vergangenheit und hebt die Errungenschaften Friedrichs II. hervor, um die Tragik des gegenwärtigen Zustands Deutschlands umso deutlicher zu machen.

Die späteren Strophen wenden sich dem gegenwärtigen Zustand Deutschlands zu, der von Zerfall und Hoffnungslosigkeit geprägt ist. Das Reich „sinkt in Trümmer“, und der Adler, das Symbol der Reichsmacht, ist entmachtet. Schack beklagt den Verlust der einstigen Größe und die Unfähigkeit der heutigen Machthaber, die Lehren der Vergangenheit zu verstehen. Die „Lenker“ Deutschlands, so impliziert der Dichter, sind verblendet und unfähig, das Schiff des Staates sicher zu navigieren. Die Metaphern von „Lecken Boot“ und „Wilder Woge“ deuten auf die drohende Katastrophe hin, die durch das Unvermögen der Führungsriege ausgelöst wird.

Die abschließenden Verse drücken den Wunsch nach Frieden für den Kaiser aus, der nun im Grab ruht und vom gegenwärtigen Elend verschont bleibt. Schack sehnt sich danach, dass die Erinnerung an die glorreichen Tage des Reiches bewahrt wird, symbolisiert durch die „Schatten der vergangenen großen Tage“. Das Gedicht endet mit einem Bild der Stille und des Friedens, in dem nur noch das Rauschen der Fahnen über dem Grab des Kaisers zu hören ist. Diese letzten Zeilen sind ein Ausdruck der Trauer über den Verlust von Größe und eine Mahnung an die Bedeutung von Führung und Weisheit.

Insgesamt ist das Gedicht eine politische und historische Reflexion, die die Vergänglichkeit menschlicher Macht und die Bedeutung von Führungsqualitäten hervorhebt. Es ist eine Elegie auf das verlorene Reich und ein Aufruf an die Lebenden, die Lehren der Geschichte zu verstehen und danach zu handeln. Die sprachliche Gestaltung, reich an Metaphern und Bildern, verstärkt die emotionale Wirkung des Gedichts und macht es zu einem eindringlichen Zeugnis der politischen und kulturellen Verhältnisse im Deutschland des 19. Jahrhunderts.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.