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Lob der Liebe

Von

O liebe herzen-binder
Du herr der freundlichkeit
Und aller guten zeit
Du zwietracht überwinder
Du grosser wohlfahrt heger
Wie daß die ganze welt
Dir hin zu fusse fällt
Und folget deinem läger?

Wie weist du einzusperren
Des scepters ganze macht!
Dir dient der cronen-pracht
Der knecht auch samt dem herren.
Das alter wird gerissen
Zwar an dein strenges joch
Die jugend pflegst du doch
Am meisten einzuschliessen.

Du wagst dich in die wangen
Der frauen-bilder hin
Und führst den starcken sinn
Der männer so gefangen.
Was keine macht kan brechen
Kein stahl kein fallend bley
Was keine tyranney
Weist endlich du zu schwächen.

Du hast die welt gelehret
Das was sie gutes hat
Daher auch dorff und stadt
Dir billich zugehöret:
Daß wir die felder bauen
Nach ehr und gütern stehn
Tieff in das erdreich gehn
Uns wind und wellen trauen.

Wodurch wir zugenommen
In aller pracht und zier
Muß eigentlich von dir
Du weltbereicher kommen.
Du endest angst und leiden;
Greiffst du o amor! an
Und hilffst so träget man
Des creutzes last mit freuden.

Durch dich muß alles werden
Was vieh und menschen noth
Ohn dich komt weder brodt
Noch weinwachs aus der erden:
Wie schön die vögel singen
Wie frölich durch das meer
Der fische schaar das heer
Der thier im walde springen;

Wie lustig sich mit tänzen
Das volck der sternen macht
Wie helle bey der nacht
Sie um den mond her glänzen;
Wie schnell der sonnen-räder
Wie lieblich lufft und wind
Wie angenehm uns sind
Die brunnen flüsse bäder.

Doch wäre nichts zu spüren
Von allem was man kennt
Wenn du das regiment
Nicht liebe soltest führen.
Glückseelig ist die stunde
Kriegt anders zeit hie stat
Da gott gezeugt dich hat
Aus seines herzen grunde.

Man hat von keinen plagen
Da irgend wo gewust
Und nur von lauter lust
Und freude können sagen;
Da war kein haß vorhanden
Kein argwohn und kein streit
Fried und gerechtigkeit
Sind um dich her gestanden.

Man sieht noch itzund leben
Und grosses wohlergehn
An allen orthen stehn
Wo du dich hinbegeben
So komm nun dein begnügen
Umschließ auch dieses paar
In eintracht immerdar
Die ehlich itzt sich fügen.

Du bist es den wir singen
Du und das wahren guth
Der uns das liebste thut
Gott selbst für allen dingen:
Wir werden angetrieben
Zu sagen: er allein
Muß selbst die liebe seyn
Die er so rein kan üben.

O seelig seelig wären
Wir menschen allerseit!
Die wir durch haß und streit
Erbärmlich uns verzehren
Wenn doch auch uns die liebe
Die alles hie und da
Und selbst den himmel ja
Am meisten gott treibt triebe.

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Gedicht: Lob der Liebe von Simon Dach

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Lob der Liebe“ von Simon Dach ist eine hymnische Preisung der Liebe als universale, göttlich gestiftete Kraft, die alles Leben durchdringt, verbindet und gestaltet. In barocker Sprachgewalt entfaltet der Dichter die Liebe als Ursprung und Motor allen menschlichen und natürlichen Handelns – als friedensstiftende, schöpferische Macht, der sich selbst Könige, Völker und Naturkräfte unterordnen.

Von Beginn an wird die Liebe personifiziert und als „herzen-binder“, „zwietracht überwinder“ und „wohlfahrt heger“ angesprochen. Sie erscheint als übergeordnete, fast königliche Instanz, der die ganze Welt zu Füßen liegt. In der zweiten und dritten Strophe beschreibt Dach ihre unbezwingbare Macht: Sie unterwirft Herrscher wie Knechte, junge wie alte Menschen, Männer wie Frauen. Keine politische oder körperliche Gewalt kann ihr widerstehen – sie besiegt selbst das, was „kein Stahl, kein fallend Bley“ vermag.

Ein zentrales Motiv ist die schöpferische Kraft der Liebe: Sie steht hinter allen kulturellen und wirtschaftlichen Leistungen der Menschheit. Dass Menschen die Erde bebauen, Städte errichten oder sich Gefahren wie Wind und Wellen anvertrauen, schreibt das lyrische Ich der Liebe zu. Sie ist nicht nur Grundlage menschlicher Beziehungen, sondern Ursprung jeglicher Zivilisation und Entwicklung.

Auch die Natur wird als vom Wirken der Liebe erfüllt beschrieben: Der Vogelgesang, das Spiel der Tiere, das Leuchten der Sterne, der Wechsel der Jahreszeiten – all das erscheint als Ausdruck eines von Liebe gelenkten Kosmos. Besonders hervorzuheben ist, wie Dach diese naturhaften, sinnlichen Bilder mit theologischer Tiefe verbindet: Die Liebe wird in den letzten Strophen eindeutig mit Gott selbst identifiziert – „er allein / muß selbst die Liebe seyn“.

Schließlich mündet das Gedicht in einen Appell an die Menschen, sich wieder der Liebe zuzuwenden. Angesichts der Selbstzerstörung durch Hass und Streit (ein Echo auf die Erfahrungen des Dreißigjährigen Kriegs) erscheint die Liebe als einzige Hoffnung auf Erlösung. Simon Dachs „Lob der Liebe“ ist somit nicht nur ein poetisches Idealbild, sondern auch eine ethische Mahnung und ein Ausdruck tief verwurzelter barocker Weltsicht: dass Liebe die göttliche Ordnung selbst sei, durch die Leben, Frieden und Freude möglich werden.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.