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Ode XXX.

Von

Zürne nicht, wenn ich dir sage,
Daß ich dich nicht lieben kann.
Wenn ich Aug und Herze frage,
Giebt es mir die Ursach an:
Amor herrscht gleich den Tyrannen;
Räumt man ihm nur etwas ein,
Sucht er alles zu verbannen,
Was ihm nicht will dienstbar sein.

Ruh und Freyheit gieng verlohren,
Der Verlust fiel mir zu schwer;
Dazu bin ich nicht gebohren,
Nein, mein Ohr giebt kein Gehör.
Kühl die Gluth an andern Blicken,
Was nutzt eine kalte Brust?
Sich an Schnee und Eis erquicken
Bringt dem Herzen schlechte Lust.

Du bist edel von Gemüthe,
Du bist angenehm und schön,
Du bist in der schönsten Blüte,
Jede mag dich gerne sehn.
Dein Verstand, dein ganzes Wesen
Liebt ein Herz das lieben kann;
Ja dein Werth bleibt auserlesen,
Nur ich nehm nicht Theil daran.

Ja ich will mich selbst verdammen,
Mein Herz ist zu felsenfest,
Da im Ursprung deiner Flammen
Es dich gar verschmachten läßt.
Darum muß ich mit dir leiden,
Daß ich dich nicht trösten kann;
Dich und deinen Umgang meiden
Seh ich selbst für strafbar an.

Hoffe nur und sey zufrieden.
Zeit und Stunden ändern sich.
Was der Himmel der beschieden,
Das erhält er auch vor dich.
Er kann Geist und Herze lenken;
Sieht er meine Unschuld an,
Wird er auch an dich gedenken,
Daß ich dich noch lieben kann.

Dennoch will ich mich vergnügen,
Wenn mein Schicksal widerspricht.
Sollte ja die Hoffnung trügen,
Trügt doch deine Liebe nicht.
Ich kann dich doch niemals hassen;
Denn der erste Blick und Tag
Ließ mich was ins Herze fassen,
Das ich nicht gestehen mag.

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Gedicht: Ode XXX. von Christiana Mariana von Ziegler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ode XXX.“ von Christiana Mariana von Ziegler ist eine fein nuancierte Zurückweisung einer Liebe – nicht in kalter Härte, sondern in reflektierter, beinahe mitleidvoller Ehrlichkeit. Die Sprecherin erklärt, warum sie die Zuneigung des lyrischen Du nicht erwidern kann, obwohl dessen Wert und Liebenswürdigkeit unbestreitbar sind. In dieser Zurückweisung liegt keine Geringschätzung, sondern ein tiefes Verständnis für die Tragik unerwiderter Gefühle.

Im Zentrum steht die Gegenüberstellung von Freiheit und Leidenschaft. Amor wird gleich einem Tyrannen beschrieben, der – einmal eingelassen – alles dominieren will. Die Sprecherin sieht in der Liebe den Verlust von „Ruh und Freyheit“ und betont, dass sie nicht dafür gemacht sei, sich diesem Regiment zu unterwerfen. Dies deutet auf ein aufgeklärtes Selbstverständnis und ein Streben nach autonomer Lebensführung hin, wie es für Zieglers Dichtung charakteristisch ist.

Trotz der ablehnenden Haltung würdigt sie den Werbenden in höchsten Tönen: Er sei edel, schön, klug – kurz: ein idealer Liebhaber. Doch gerade in dieser Kontrastierung wird deutlich, dass der Grund für das Nichtlieben in ihr selbst liegt: ein „felsenfestes Herz“, das sich nicht erweichen lässt. Diese Selbsterkenntnis geht mit Schuldgefühlen einher, denn sie empfindet seine Nähe als fast „strafbar“, weil sie die Zuneigung nicht erwidern kann.

Gegen Ende öffnet sich jedoch ein Hoffnungsschimmer: Vielleicht, so die Sprecherin, wird sich durch göttliche Fügung doch noch ein Wandel in ihr vollziehen. Diese Hoffnung ist aber eher ein Trost für den Abgewiesenen als eine reale Aussicht. Dennoch zeigt der letzte Vers eine zarte Ambivalenz: Der „erste Blick und Tag“ hat etwas im Herzen der Sprecherin hinterlassen, das unausgesprochen bleibt – eine Andeutung, dass die Ablehnung nicht vollständig gefühllos ist.

Zieglers „Ode XXX.“ überzeugt durch ihre klare Gedankenführung, sprachliche Eleganz und psychologische Tiefe. Die Sprecherin wahrt ihre emotionale Unabhängigkeit, ohne dabei kalt zu erscheinen – eine Haltung, die sowohl Selbstachtung als auch Mitgefühl vereint. Möchtest du auch eine sprachliche Analyse einzelner Bilder oder Stilmittel?

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.