Den Müttern
Mütter,
Eure Hoffnung, Eure frohe Bürde,
Liegt in aufgewühlter Erde,
Röchelt zwischen Drahtverhauen,
Irret blind durch gelbes Korn.
Die auf Feldern jubelnd stürmten,
Torkeln eingekerkert, wahnsinnsschwärend,
Blinde Tiere durch die Welt.
Mütter!
Eure Söhne taten das einander.
Grabt Euch tiefer in den Schmerz,
Lasst ihn zerren, ätzen, wühlen,
Recket gramverkrampfte Arme,
Seid Vulkane, glutend Meer:
Schmerz gebäre Tat!
Euer Leid, Millionen Mütter,
Dien als Saat durchpflügter Erde,
Lasse keimen
Menschlichkeit.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Den Müttern“ von Ernst Toller ist eine eindringliche Klage über das Leid der Mütter im Angesicht des Krieges. Es spricht von der „Hoffnung“ und der „frohen Bürde“ der Mütter, die jedoch in „aufgewühlter Erde“ und durch das Chaos des Krieges zerrissen wird. Die Bildsprache deutet auf die Zerstörung der Familien und der Werte durch die brutalen Auswirkungen des Krieges hin. Der Verweis auf „Drahtverhauen“ und „gelbes Korn“ stellt eine Verbindung zu den zerstörten Feldern und den Opfern des Krieges her, die sich durch die Gesellschaft ziehen.
Toller schildert die Mütter als die stillen Leidtragenden des Krieges, deren Söhne in der Gewalt der kriegerischen Auseinandersetzungen einander das Leben nehmen. Die „blinden Tiere“ und die „wahnsinnsschwärenden“ Bilder verdeutlichen die Entmenschlichung und den Verlust der Orientierung, die der Krieg mit sich bringt. Hier wird der Krieg nicht nur als physische Zerstörung, sondern auch als geistige und moralische Entstellung dargestellt.
In der zweiten Strophe fordert Toller die Mütter auf, sich noch tiefer in ihren Schmerz zu vergraben und diesen Schmerz nicht nur zu ertragen, sondern ihn als treibende Kraft für Veränderung zu nutzen. „Recket gramverkrampfte Arme“ und „Seid Vulkane, glutend Meer“ rufen zu einem Akt der Revolte gegen die Gewalt auf. Der Schmerz, den die Mütter erleiden, wird hier als Katalysator für eine neue Tat dargestellt, die über das Leiden hinausgeht und Veränderung in der Welt herbeiführen soll.
Am Ende des Gedichts wird der Schmerz der Mütter zur „Saat durchpflügter Erde“, die „Menschlichkeit“ keimen lassen soll. Der Schmerz und das Leid, das durch den Krieg verursacht wird, sollen nicht nur zu Trauer führen, sondern als Grundlage für eine moralische Erneuerung dienen. Toller sieht in dem Leid der Mütter eine transformative Kraft, die zur Wiederherstellung von Menschlichkeit und Mitgefühl in einer zerstörten Welt beitragen kann. Das Gedicht ist eine tiefgreifende Reflexion über den Krieg, das menschliche Leid und die Notwendigkeit der Veränderung.
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Lizenz und Verwendung
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