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Friede auf Erden

Von

Da die Hirten ihre Herde
ließen und des Engels Worte
trugen durch die enge Pforte
zu der Mutter und dem Kind
fuhr das himmlische Gesind
fort, im Sternenraum zu singen,
fuhr der Himmel fort zu klingen:
„Friede, Friede! auf der Erde!“

Seit die Engel so geraten,
o wie viele blutge Taten
hat der Streit auf wildem Pferde,
der geharnischte, vollbracht!
In wie mancher heilgen Nacht
sang der Chor der Geister zagend
dringlich flehend, leis verklagend:
„Friede, Friede! auf der Erde!“

Doch es ist ein ewger Glaube,
dass der Schwache nicht zum Raube
jeder frechen Mordgebärde
werde fallen allezeit:
Etwas wie Gerechtigkeit
webt und wirkt in Mord und Grauen,
und ein Reich will sich erbauen,
das den Frieden sucht der Erde.

Mählich wird es sich gestalten,
seines heilgen Amtes walten,
Waffen schmieden ohne Fährde,
Flammenschwerter für das Recht,
und ein königlich Geschlecht
wird erblühn mit starken Söhnen,
dessen helle Tuben dröhnen:
Friede, Friede auf der Erde!

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Gedicht: Friede auf Erden von Conrad Ferdinand Meyer

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Friede auf Erden“ von Conrad Ferdinand Meyer beginnt mit der Darstellung einer zentralen biblischen Szene, in der die Hirten die Botschaft der Engel empfangen und in die Welt tragen. Die Engel verkünden „Friede auf Erden“, was eine tiefe, universelle Hoffnung symbolisiert. Die Worte des Engels sind nicht nur ein Appell an die Menschen, sondern auch ein himmlisches Versprechen, das über den „Sternenraum“ hinaus erklingt und die Erde in den Klang des Friedens einhüllt. Die Darstellung des „himmlischen Gesindes“ und der „engelsgleichen“ Botschaft setzt die Szene in einen höheren, göttlichen Rahmen und stellt den Frieden als etwas Göttliches dar, das für alle Menschen von Bedeutung ist.

Doch das Gedicht kehrt dann schnell zu der traurigen Realität zurück, dass trotz dieser göttlichen Verkündung der „Streit auf wildem Pferde“ und die „blutge Taten“ weiterhin die Erde beherrschen. Die wiederholte Bitte der Engel, „Friede auf der Erde“, bleibt unerfüllt, da die menschliche Geschichte von Gewalt, Kriegen und Konflikten geprägt ist. Die „Engel“ singen zwar immer wieder in „heilgen Nächten“, doch ihre flehende Bitte, der Frieden möge auf der Erde einkehren, scheint nicht erhört zu werden. Diese Zeilen reflektieren die Diskrepanz zwischen dem göttlichen Ideal und der menschlichen Realität, in der der Frieden schwer zu finden ist und die Gewalt oft überhandnimmt.

Trotz der wiederholten Gewalt und des „Mordens“ in der Welt, betont das Gedicht jedoch einen „ewigen Glauben“: Es ist der Glaube, dass der „Schwache“ nicht ständig dem „Raube“ und der „Mordgebärde“ ausgeliefert sein wird. Dieser Glaube an eine höhere Gerechtigkeit, die sich inmitten von Chaos und Grauen manifestieren soll, bildet die Grundlage für die Hoffnung auf ein besseres, friedlicheres Reich. Die Vorstellung, dass Gerechtigkeit irgendwann über das Unrecht siegt, ist ein zentrales Motiv, das den Konflikt zwischen Gewalt und Frieden in eine größere, universelle Perspektive rückt.

Im weiteren Verlauf des Gedichts wird die Vision eines „heilgen Amtes“ und eines zukünftigen „Reichs“ beschrieben, in dem der Frieden aktiv durchgesetzt wird. Es geht nicht nur um eine passive Sehnsucht nach Frieden, sondern um einen aktiven Prozess des Aufbaus eines „königlichen Geschlechts“ und einer Gesellschaft, die den Frieden „schmieden“ wird. Die „Flammenschwerter für das Recht“ und das „königlich Geschlecht“ stellen eine symbolische Darstellung der mächtigen und gerechten Kräfte dar, die den Frieden sichern sollen. Die klare Botschaft am Ende, dass der „Friede“ auf der Erde „dröhnen“ wird, zeigt eine hoffnungsvolle Zukunft, in der Frieden nicht nur als Ideal, sondern als eine realisierte Wahrheit verstanden wird.

Das Gedicht ist eine kraftvolle Reflexion über den ewigen Kampf zwischen Krieg und Frieden, über die unaufhörliche Sehnsucht der Menschheit nach einem Zustand der Gerechtigkeit und des Friedens. Während die göttliche Botschaft von Frieden inmitten der Dunkelheit der menschlichen Geschichte zu scheitern scheint, bleibt der Glaube an das endgültige Durchsetzen des Friedens als eine tief verwurzelte Hoffnung, die sowohl göttlich als auch menschlich inspiriert ist.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.