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Rast

Von

Nun merk′ ich erst, wie müd′ ich bin,
Da ich zur Ruh′ mich lege:
Das Wandern hielt mich munter hin
Auf unwirtbarem Wege.
Die Füße frugen nicht nach Rast,
Es war zu kalt zum Stehen;
Der Rücken fühlte keine Last,
Der Sturm half fort mich wehen.

In eines Köhlers engem Haus
Hab′ Obdach ich gefunden;
Doch meine Glieder ruh′n nicht aus:
So brennen ihre Wunden.
Auch du, mein Herz, in Kampf und Sturm
So wild und so verwegen,
Fühlst in der Still′ erst deinen Wurm
Mit heißem Stich sich regen!

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Gedicht: Rast von Wilhelm Müller

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Rast“ von Wilhelm Müller thematisiert die Erfahrung von Erschöpfung und die Erkenntnis der eigenen Verletzlichkeit im Moment der Ruhe. Der Sprecher, ein Wanderer, realisiert erst im Augenblick der Einkehr, wie sehr er durch die Strapazen des Weges und die äußeren Widrigkeiten gefordert war. Die ersten vier Verse schildern die unermüdliche Anstrengung während der Wanderung, wobei die Kälte und der Sturm als treibende Kräfte fungieren, die den Wanderer am Weitermarsch hindern.

In den folgenden Strophen wird die physische und psychische Erschöpfung deutlich. Das „enge Haus“ des Köhlers bietet zwar Obdach, doch der Körper findet keine Ruhe. Die „Wunden“ brennen und zeigen die physische Belastung, die der Wanderer erlitten hat. Dieses Bild der körperlichen Schmerzen wird durch die Anrede des eigenen Herzens erweitert, das in Kampf und Sturm ebenso „wild und verwegen“ war.

Die eigentliche Erkenntnis des Gedichts liegt im letzten Verspaar: „Fühlst in der Still‘ erst deinen Wurm / Mit heißem Stich sich regen!“ Hier wird die Erfahrung der Erschöpfung verallgemeinert und auf eine tiefere, emotionale Ebene gehoben. Der „Wurm“ symbolisiert die verborgenen Verletzungen, die Sorgen und die inneren Konflikte, die erst im Moment der Ruhe, des Rückzugs, wirklich spürbar werden. Die „Stille“ wird somit zum Verstärker der eigenen inneren Unruhe und des Schmerzes.

Das Gedicht ist von einer tiefen Melancholie geprägt. Müller beschreibt nicht nur die körperliche Erschöpfung, sondern auch die psychische Zerrissenheit, die sich im Moment der Ruhe offenbart. Die Erfahrung des Wanderers wird zu einer universellen Erfahrung der menschlichen Existenz, die von ständiger Anstrengung und den Auswirkungen von Verletzungen geprägt ist. Die Rast, die man sich ersehnt, wird zur Konfrontation mit dem eigenen Ich und dessen Wunden.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.