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Gefrorene Tränen

Von

Gefrorne Tropfen fallen
Von meinen Wangen ab:
Ob es mir denn entgangen,
Daß ich geweinet hab′?

Ei Tränen, meine Tränen,
Und seid ihr gar so lau,
Daß ihr erstarrt zu Eise
Wie kühler Morgentau?

Und dringt doch aus der Quelle
Der Brust so glühend heiß,
Als wolltet ihr zerschmelzen
Des ganzen Winters Eis!

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Gedicht: Gefrorene Tränen von Wilhelm Müller

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Gefrorene Tränen“ von Wilhelm Müller ist eine kurze, aber eindringliche Reflexion über Schmerz, Verlust und die Paradoxie der Emotionen. Es entstammt dem Zyklus „Winterreise“ und transportiert die Kälte und innere Leere des lyrischen Ichs, das in einer gefrorenen, winterlichen Landschaft seine Gefühle erkundet.

Im ersten Abschnitt beschreibt das lyrische Ich die Tränen, die von seinen Wangen fallen. Die Frage, ob es überhaupt geweint hat, deutet auf ein Gefühl der Betäubung und des Unglaubens hin. Die Tränen, ein Ausdruck tiefster Trauer, scheinen vom Körper getrennt und als äußeres Phänomen wahrgenommen zu werden, was die Entfremdung von den eigenen Emotionen unterstreicht. Die Tränen werden hier nicht als lebendige, fließende Emotionen, sondern als gefrorene Tropfen dargestellt, was die Intensität des Kummers noch verstärkt.

Der zweite Teil des Gedichts vertieft das Paradoxon. Die Tränen, normalerweise ein Zeichen von Wärme und Gefühlsausdruck, sind so kalt, dass sie zu Eis erstarren, wie der Morgentau. Dies symbolisiert das Ersticken der Emotionen, das Erstarren des Gefühlslebens unter der Last der Trauer. Trotz der Quelle, die im Inneren des lyrischen Ichs glühend heiß ist, wie ein Feuer, das die Kälte des Winters zu schmelzen versucht, sind die Tränen selbst gefroren, was die innere Zerrissenheit und das Unvermögen, Trost zu finden, verdeutlicht.

Die letzte Strophe des Gedichts verstärkt diesen Widerspruch noch. Die glühende Quelle in der Brust, die eigentlich die Wärme und Intensität der Emotionen repräsentiert, scheint unfähig zu sein, die erstarrte Trauer zu befreien. Dies unterstreicht die Hoffnungslosigkeit und die Unfähigkeit, den Schmerz zu überwinden. Die Hoffnung, das Eis des Winters durch die Hitze der eigenen Emotionen zum Schmelzen zu bringen, scheitert, was die tragische Natur der Situation betont. Das Gedicht fängt somit die innere Isolation und das Gefühl des Verlustes meisterhaft ein.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.