Es ist kein Autor so gering und klein,
Der nicht dächt etwas Rechts zu sein;
Und wär er noch so ein armer Wicht,
Geht er doch stolz und aufgericht′t,
Daß man glaubt der leere Hut
Noch zu dem Kleinen gehören tut.
Auch kein Autor auf den andern baut;
Denn sei ein Paar noch so vertraut,
Darfst heut den einen heruntersetzen
Willst du den andern höher schätzen,
Und morgen, auf des zweiten Kösten,
Läßt sich der erste nennen den Besten.
Schriftsteller
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Schriftsteller“ von Wilhelm Hauff entlarvt auf satirische Weise das Selbstverständnis und die Eigenarten von Schriftstellern. Es zeichnet ein Bild, das von Eitelkeit, Konkurrenzdenken und einem manchmal übertriebenen Selbstbewusstsein geprägt ist.
Die ersten vier Verse beschreiben die Grundhaltung der Schriftsteller, egal wie unbedeutend sie sein mögen. Jeder Autor, so Hauff, hält sich für etwas Besonderes. Selbst ein „armer Wicht“ stolziert mit erhobenem Haupt, was impliziert, dass das äußere Erscheinungsbild und das Selbstbild in krassem Gegensatz zur Realität stehen können. Der „leere Hut“ im fünften und sechsten Vers verstärkt diese Ironie, indem er die Bedeutungslosigkeit des Autors visuell verdeutlicht, während der Stolz erhalten bleibt. Dies deutet auf eine Selbstüberschätzung und ein übertriebenes Ego hin, das typisch für diese Berufsgruppe sein kann.
Der zweite Teil des Gedichts widmet sich der Konkurrenz unter den Autoren. Hauff kritisiert die fehlende Solidarität und die Tendenz, andere herabzusetzen, um sich selbst zu profilieren. Freundschaftliche Beziehungen werden schnell dem eigenen Vorteil geopfert. Die Zeilen zeigen, dass es in dieser Welt des Schreibens um Anerkennung und Ruhm geht, und dass dafür sogar Freundschaften geopfert werden. Die wechselseitige Abwertung, um selbst „höher geschätzt“ zu werden, ist ein Spiegelbild der menschlichen Eitelkeit und des Wettbewerbs.
Die abschließende Aussage, dass am nächsten Tag die Rollen getauscht werden und der zunächst Abgewertete wieder zum „Besten“ erklärt wird, offenbart die Willkür und Oberflächlichkeit dieser Wertungen. Hauff unterstreicht damit die kurzlebige Natur des Ruhms und die Beliebigkeit der Urteile in der Welt der Literatur. Das Gedicht ist eine bissige Satire, die die menschliche Schwäche der Eitelkeit und des Konkurrenzdenkens in der Welt der Schriftsteller bloßstellt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.
