Reiters Morgenlied
Morgenrot!
Leuchtest mir zum frühen Tod?
Bald wird die Trompete blasen,
Dann muß ich mein Leben lassen,
Ich und mancher Kamerad!
Kaum gedacht,
War der Lust ein End gemacht!
Gestern noch auf stolzen Rossen,
Heute durch die Brust geschossen,
Morgen in das kühle Grab.
Doch! wie bald
Welket Schönheit und Gestalt!
Prangst du gleich, mit deinen Wangen,
Die wie Milch und Purpur prangen,
Ach! die Rosen welken all.
Und was ist
Aller Mannsbild Freud und Lust?
Unter Kummer, unter Sorgen
Sich bemühen früh am Morgen,
Bis der Tag vorüber ist.
Darum still
Füg ich mich, wie Gott es will,
Und so will ich wacker streiten,
Und sollt ich den Tod erleiden,
Stirbt ein braver Reitersmann.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Reiters Morgenlied“ von Wilhelm Hauff ist eine tiefgründige Reflexion über die Vergänglichkeit des Lebens, die durch die Perspektive eines Reiters kurz vor dem Kampf ausgedrückt wird. Es zeichnet sich durch einen Wechsel von Morgenstimmung und Todesahnung aus, der die existenzielle Fragilität des menschlichen Daseins in den Vordergrund rückt. Der Autor nutzt eine einfache, direkte Sprache, die den Kontrast zwischen der Schönheit der Natur und der Gewissheit des Todes noch verstärkt.
In den ersten beiden Strophen wird der unmittelbare Bezug zum Tod hergestellt. Die Zeile „Morgenrot! Leuchtest mir zum frühen Tod?“ offenbart die innere Zerrissenheit des Reiters, der die Schönheit des Morgens wahrnimmt, aber gleichzeitig mit der Gefahr des Sterbens konfrontiert wird. Die „Trompete“ signalisiert den nahenden Kampf, der sowohl für den Reiter als auch für seine Kameraden das Ende bedeuten könnte. Die Erinnerung an die „Lust“ von gestern, die nun jäh ein Ende fand, verstärkt das Gefühl der Vergänglichkeit. Der Übergang vom stolzen Reiter auf dem Ross zum Toten im Grab ist abrupt und verdeutlicht die Unberechenbarkeit des Schicksals.
Die dritte und vierte Strophe weiten die Betrachtung aus und thematisieren die allgemeine Vergänglichkeit von Schönheit und Freude. Der Reiter reflektiert über das Verwelken der „Schönheit und Gestalt“ und die flüchtige Natur der körperlichen Reize, indem er Vergleiche mit den „Rosen“ zieht. Diese universelle Beobachtung wird durch die Frage nach dem Sinn von „Freud und Lust“ ergänzt. Der Bezug auf „Kummer“ und „Sorgen“ sowie die tägliche Mühsal unterstreichen die Unbeständigkeit des menschlichen Lebens.
In der abschließenden Strophe manifestiert sich eine Haltung der Akzeptanz und des Mutes. Der Reiter unterwirft sich dem Willen Gottes und nimmt seine Bestimmung an. Er beschließt, tapfer zu kämpfen, unabhängig vom Ausgang, und betont die Ehre eines „braven Reitersmanns“. Diese finale Haltung der Ergebenheit und des Mutes verleiht dem Gedicht trotz des Todesgedankens einen Hauch von Würde und Widerstandsfähigkeit. Das Gedicht wird somit zu einer Meditation über die Vergänglichkeit, die Akzeptanz des Schicksals und die Bedeutung von Tapferkeit.
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Lizenz und Verwendung
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