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Ihr Auge

Von

Ich weiß wo einen Bronnen
Voll hellem Himmelstau,
Es glänzt der Strahl der Sonnen
Aus seines Spiegels Blau;
Er ladet klar und helle
Zu süßer Wonne ein,
Es winkt aus seiner Quelle
Der Sonne milder Schein.

Mir war als sollte drunten
In seiner klaren Flut
Das arme Herz gesunden
Von seinem bangen Mut.
Ich tauchte freudig nieder,
Ins klare Blau hinab,
Mein Herz das kam nicht wieder,
Fand in dem Quell sein Grab.

Kennst du den süßen Bronnen,
So klar und silberhell?
Kennst du den Strahl der Sonnen
Aus seinem blauen Quell?
Das ist des Liebchens Auge,
Ihr süßer Silberblick –
Aus seiner Tiefe tauche
Ich nie zum Licht zurück.

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Gedicht: Ihr Auge von Wilhelm Hauff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ihr Auge“ von Wilhelm Hauff ist eine Liebesballade, die die zerstörerische Kraft der Liebe anhand des Metaphernvergleichs von einem Brunnen und dem Auge der Geliebten thematisiert. Der Brunnen, der anfangs als idyllisch und verlockend dargestellt wird, entpuppt sich im Verlauf des Gedichts als tödliche Falle, in der das lyrische Ich sein „Herz“ verliert. Das Gedicht baut eine Spannung auf, indem es zunächst die Schönheit des Brunnens beschreibt, um dann die katastrophalen Folgen des Eintauchens in diesen vermeintlichen Ort der Erholung zu enthüllen.

Die ersten beiden Strophen beschreiben den Brunnen als einen Ort der Schönheit und des Friedens. Das „helle Himmelstau“ und der „Strahl der Sonnen“ suggerieren Reinheit und Klarheit, während das „klare Blau“ des Spiegels eine idyllische Atmosphäre schafft. Die Einladung zu „süßer Wonne“ und der „milde Schein“ der Sonne wecken im lyrischen Ich den Wunsch nach Erholung und Heilung für sein „armes Herz“. Diese Erwartung wird jedoch in der zweiten Strophe untergraben, als das Ich im Brunnen ertrinkt. Das Eintauchen ins Wasser wird zum Untergang, das Herz findet in dem Quell „sein Grab“.

Die letzten beiden Strophen offenbaren die wahre Bedeutung des Brunnens: Er ist ein Metapher für das Auge der Geliebten. Durch die rhetorische Frage „Kennst du den süßen Bronnen?“ und die anschließende Beschreibung des Auges wird die Verbindung zwischen dem Brunnen und dem Blick der Geliebten hergestellt. Das „süße Silberblick“ des Auges ist ebenso verführerisch wie der Brunnen, doch seine „Tiefe“ wird für das lyrische Ich zur tödlichen Falle. Die Zeile „Ich nie zum Licht zurück“ unterstreicht die endgültige Natur des Verlustes und die unwiderrufliche Hingabe an die Liebe.

Hauffs Gedicht nutzt eine einfache, aber eindringliche Sprache, um die Macht der Liebe darzustellen. Die Metapher des Brunnens als Todesort verdeutlicht die Ambivalenz der Liebe, die sowohl Glück als auch Leid, Freude als auch Verlust bedeuten kann. Die Liebe wird als eine unwiderstehliche Kraft dargestellt, die das Ich in ihren Bann zieht und ihm letztendlich das Leben kostet. Durch die Verwendung von Bildern der Klarheit und des Glanzes, die dann in Dunkelheit und Tod umschlagen, erzeugt Hauff eine eindringliche Botschaft über die Gefährlichkeit der Liebe und ihre Fähigkeit, das Ich zu verzehren.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.