Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , , , , , , , , ,

Den abgehenden Brüdern im Herbst 1823

Von

Vom Himmel ist der Geist entsprossen,
Der unser Herz zum Höchsten hebt,
Der auf die scheidenden Genossen
Noch einmal segnend niederschwebt.
Es schwebt um euch in alle Lande
Der Bruderliebe mildes Licht,
Denn ewig sind des Geistes Bande,
Wenn auch die Zeit die Form zerbricht.

Und feiernd zu dem Bundesmahle
Naht der Erinnrung schönes Bild;
Sie neigt die volle Opferschale,
Daß reich ihr Opfer niederquillt,
Und wie der Strom die grünen Hügel
Auf klarer Welle freundlich zeigt,
Zeigt sie der Freude goldnen Spiegel,
Wenn sie die volle Schale neigt.

Das Tal, das uns so oft gesehen
An seines Stromes grünem Strand,
Und alle Täler, alle Höhen
Aus unsrer Jugend Zauberland,
Und alle Freuden, alle Leiden,
Noch einmal kehren sie zurück,
Noch einmal wollen sie entgleiten
Vor unsrer Brüder trunknem Blick.

Doch was in jener heil′gen Stunde
Begeisternd eure Brust durchdrang,
Als mächtig aus der Brüder Munde
Der wogende Gesang erklang,
Als ihr den Brüdern schwuret Treue,
Des hohen Zweckes euch bewußt,
Das steige heut mit neuer Weihe
Hernieder in der Brüder Brust!

O nennt′s nicht Wahn, was euch durchbebte,
Was uns den Busen mächtig füllt,
Der Geist, der feiernd euch umschwebte,
War nicht der Träume Luftgebild;
Jetzt, in der letzten Feierstunde,
Wo Herz an Herz sich fester drückt,
Strahlt euch aus jedem Aug die Kunde:
Es ist kein Traum, was uns beglückt!

Und was wir feiernd jetzt gesungen,
Es war ein ernstes Abschiedswort;
Denn, sind die Töne bald verklungen,
Es lebt der Geist der Töne fort:
»Für Freiheit, Gott und deutsche Ehre,
Für unser liebes Vaterland!«
Dies sei des Bundes letzte Lehre,
Der letzte Druck der Bruderhand.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Den abgehenden Brüdern im Herbst 1823 von Wilhelm Hauff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Den abgehenden Brüdern im Herbst 1823“ von Wilhelm Hauff ist eine feierliche Abschiedsrede, die die Bindung der Brüderlichkeit und die Ideale, die sie verbinden, in den Vordergrund stellt. Das Gedicht, das in der Tradition der Freundschafts- und Bundeslieder steht, zelebriert den Abschied von Brüdern, die sich trennen, während es gleichzeitig die Ewigkeit der geistigen Verbindung und die Bedeutung gemeinsamer Ideale betont.

Hauff beginnt mit dem Bild des Geistes, der vom Himmel entspringt und die Herzen der Brüder zu Höherem erhebt. Dieser Geist der Bruderliebe, der im Vers „ewig sind des Geistes Bande“ kulminiert, ist die treibende Kraft, die über die physische Trennung hinaus Bestand hat. Die Erinnerung, personifiziert als Figur, wird herbeigerufen, um die „Opferschale“ der Erinnerung zu neigen und die Freuden und Leiden der gemeinsamen Vergangenheit wieder aufleben zu lassen. Diese Rückbesinnung auf die gemeinsame Geschichte dient dazu, die Bindung der Brüder zu stärken und ihnen Mut für die Zukunft zu geben.

In den folgenden Strophen beschreibt Hauff das Wiederaufleben der Erinnerungen an die Jugend und die gemeinsamen Erlebnisse. Diese Momente werden als wertvoll und bedeutsam dargestellt, wobei die Freude und der Schmerz der Vergangenheit noch einmal vor den Augen der Brüder erscheinen. Das Gedicht gipfelt in der Erinnerung an den „wogenden Gesang“, der von der Begeisterung und dem Schwur der Treue zeugt, die die Brüder einst vereinte. Die Betonung des „hohen Zwecks“ unterstreicht die Ideale, für die die Brüder eintraten.

Die letzten Strophen des Gedichts wenden sich der Bestätigung der Bedeutung des Ideals und der Freundschaft zu. Hauff appelliert, die Gefühle, die die Brüder erfüllten, nicht als Illusion abzutun. Der Geist, der sie umgab, war kein „Luftgebild“, sondern eine reale Kraft, die ihre Bindung und ihren Mut stärkte. Das Gedicht endet mit dem feierlichen Gesang der Brüder, in dem die Ideale von Freiheit, Gott und deutschem Patriotismus als „letzte Lehre“ und Vermächtnis festgehalten werden. Der „letzte Druck der Bruderhand“ symbolisiert den Abschied und die bleibende Verbundenheit.

Zusammenfassend ist Hauffs Gedicht eine Hommage an die Brüderlichkeit, die Erinnerung und die gemeinsamen Ideale. Es überwindet die physische Trennung und betont die Ewigkeit der geistigen Bindung. Durch die feierliche Sprache und die Beschwörung gemeinsamer Erlebnisse wird eine Atmosphäre geschaffen, die die Leser dazu anregt, die Bedeutung von Freundschaft, Loyalität und den Idealen, für die man eintritt, zu erkennen und zu schätzen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.