Früher, da ich unerfahren
 Und bescheidner war als heute,
 Hatten meine höchste Achtung
 Andre Leute.
Später traf ich auf der Weide
 Außer mir noch mehr Kälber,
 Und nun schätz ich, sozusagen,
 Erst mich selber.
Früher, da ich unerfahren
 Und bescheidner war als heute,
 Hatten meine höchste Achtung
 Andre Leute.
Später traf ich auf der Weide
 Außer mir noch mehr Kälber,
 Und nun schätz ich, sozusagen,
 Erst mich selber.

Das Gedicht „Früher, da ich unerfahren“ von Wilhelm Busch ist eine humorvolle Selbstreflexion über die Entwicklung des Selbstwertgefühls und die Veränderung der eigenen Prioritäten im Laufe des Lebens. Es präsentiert eine einfache, aber treffende Beobachtung über den Wandel von Fremdbestimmung zu Selbstbestimmung. Der Autor verwendet eine einfache, eingängige Sprache und einen klaren Aufbau, um seine Botschaft zu vermitteln, was typisch für Buschs Werk ist.
Das Gedicht beginnt mit einer Beschreibung der Vergangenheit, in der der Sprecher unerfahren und bescheiden war und die Achtung vor anderen Menschen im Vordergrund stand. Diese Phase wird als Zeit der Fremdbestimmung dargestellt, in der das Urteilsvermögen und die Wertschätzung von äußeren Einflüssen geprägt waren. Der Ausdruck „Andere Leute“ steht hier stellvertretend für Autoritäten, gesellschaftliche Erwartungen oder schlicht die Meinungen anderer Menschen, denen der Sprecher in seiner Jugend folgte.
Die zweite Strophe markiert einen Wendepunkt. Der Sprecher trifft metaphorisch auf „mehr Kälber“ auf der „Weide“. Diese „Kälber“ können als Gleichgesinnte, Altersgenossen oder Individuen interpretiert werden, die sich in einer ähnlichen Lebenssituation befinden. Dieser Kontakt scheint eine Art Erkenntnisprozess auszulösen, der zu einer Veränderung der Selbstwahrnehmung führt. Die „Weide“ symbolisiert einen Ort der Gemeinschaft und des Vergleichs, an dem der Sprecher seine eigene Position neu bewerten kann.
Der abschließende Vers „Und nun schätz ich, sozusagen, erst mich selber“ ist der Kern des Gedichts. Hier wird die Entwicklung des Selbstwertgefühls und die Abkehr von der Fremdbestimmung klar zum Ausdruck gebracht. Der Zusatz „sozusagen“ deutet auf eine leichte Selbstironie hin, die für Buschs Humor typisch ist. Es unterstreicht die pointierte Pointe des Gedichts, nämlich die Tendenz zur Selbstüberschätzung und die Verschiebung der eigenen Wertschätzung im Laufe des Lebens. Die Selbsteinschätzung, die durch die neue Erfahrung der Vergleiche mit anderen resultiert, ist zwar humorvoll, aber auch eine zutreffende Beobachtung menschlichen Verhaltens.
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