Zur Nacht
Vorbei der Tag! Nun laß mich unverstellt
Genießen dieser Stunde vollen Frieden!
Nun sind wir unser; von der frechen Welt
Hat endlich uns die heilige Nacht geschieden.
Laß einmal noch, eh sich dein Auge schließt,
Der Liebe Strahl sich rückhaltlos entzünden;
Noch einmal, eh im Traum sie sich vergißt,
Mich deiner Stimme lieben Laut empfinden!
Was gibt es mehr! Der stille Knabe winkt
Zu seinem Strande lockender und lieber;
Und wie die Brust dir atmend schwellt und sinkt,
Trägt uns des Schlummers Welle sanft hinüber.
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Zur Nacht“ von Theodor Storm ist eine intime und besinnliche Betrachtung der Zweisamkeit und des Abschieds vom Tag, hin zur Ruhe und Geborgenheit der Nacht. Es ist eine Hommage an die Liebe und die Fähigkeit, im Schutz der Dunkelheit Trost und Erfüllung zu finden. Die Worte sind voller Zärtlichkeit und Sehnsucht, die auf eine tiefe Verbundenheit zweier Menschen hindeuten.
Der erste Vers „Vorbei der Tag! Nun laß mich unverstellt / Genießen dieser Stunde vollen Frieden!“ drückt ein Gefühl der Erleichterung aus, das mit dem Ende des Tages einhergeht. Die „freche Welt“ wird hinter sich gelassen, und das Paar findet in der „heiligen Nacht“ endlich Geborgenheit und ungestörte Zweisamkeit. Diese Abgrenzung von der Außenwelt betont die Exklusivität ihrer Liebe und ihr Bedürfnis nach Intimität und Ruhe. Die Bitte „Nun sind wir unser“ unterstreicht den Wunsch nach vollständiger Hingabe und dem Genuss des gegenwärtigen Moments.
Die zweite Strophe vertieft die Thematik der Liebe und des Abschieds. Das Paar genießt die letzten Momente des Tages, bevor die Dunkelheit den Schlaf bringt. Die Aufforderung, „der Liebe Strahl sich rückhaltlos zu entzünden“ und die Erinnerung an die „lieben Stimme“ zeigen die tiefe emotionale Bindung und die Wertschätzung für die kleinen, intimen Gesten der Liebe. Die Wiederholung von „noch einmal“ unterstreicht die Endlichkeit und das Bewusstsein für den Übergang in den Schlaf, der als eine Art vorübergehender Abschied erlebt wird.
Die letzte Strophe ist ein sanfter Ausblick auf den Schlaf. Der „stille Knabe“, eine Metapher für den Schlaf oder den Tod, winkt das Paar in seinen Bann. Die „Schlummers Welle“ trägt sie sanft hinüber, was ein Gefühl von Frieden und Geborgenheit vermittelt. Der Rhythmus des Atmens, symbolisiert durch das „Schwellen und Sinken“ der Brust, wird mit dem sanften Schaukeln der Schlafeswellen in Verbindung gebracht. Das Gedicht endet mit einer friedlichen Akzeptanz des kommenden Schlafs, der als eine Art sanfter Übergang in eine Welt der Träume und Ruhe dargestellt wird.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.