Die Kleine
Und plaudernd hing sie mir am Arm;
Sie, halberschlossen nur dem Leben;
Ich zwar nicht alt, doch aber dort,
Wo uns verläßt die Jugend eben.
Wir wandelten hinauf, hinab
Im dämmergrünen Gang der Linden;
Sie sah mich froh und leuchtend an,
Sie wußte nicht, es könnte zünden;
Ihr ahnte keine Möglichkeit,
Kein Wort von so verwegnen Dingen,
Wodurch es selbst die tiefste Kluft
Verlockend wird zu überspringen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die Kleine“ von Theodor Storm handelt von einer Begegnung zwischen einem Mann und einem jungen Mädchen, wobei die Atmosphäre von Unschuld und dem nahenden Ende der Jugend geprägt ist. Der Sprecher beschreibt eine Wanderung mit der „Kleinen“, während er sich selbst in einer Phase des Übergangs befindet, am Rande des Verlusts der Jugend. Die Beschreibung des Mädchens als „halberschlossen nur dem Leben“ deutet auf ihre Unbekümmertheit und ihre Unkenntnis der Komplexität des Lebens und der Liebe hin.
Die Szenerie wird durch die Beschreibung des „dämmergrünen Gang der Linden“ geprägt, was eine friedliche und zugleich melancholische Stimmung erzeugt. Die Lindenallee symbolisiert einen Pfad, der von Vergangenheit in die Zukunft führt, während das Dämmergrün einen Hauch von Nostalgie und Vergänglichkeit einbringt. Das Mädchen blickt den Sprecher „froh und leuchtend“ an, ohne zu ahnen, welche Gefühle in ihm aufsteigen könnten. Ihre Unschuld kontrastiert mit der Erfahrung des Sprechers, der sich der möglichen Folgen bewusst ist.
Die Strophen offenbaren eine subtile Spannung zwischen der Unschuld des Mädchens und der erwachenden Sehnsucht des Sprechers. Sie „wußte nicht, es könnte zünden,“ was auf die Unkenntnis des Mädchens über die Leidenschaft und die tiefen Gefühle des Sprechers anspielt. Die Zeile „Ihr ahnte keine Möglichkeit, / Kein Wort von so verwegnen Dingen,“ verdeutlicht die Kluft zwischen den beiden und die unterschiedliche Wahrnehmung der Welt.
Das Gedicht thematisiert die Vergänglichkeit der Jugend, das Erwachen der Gefühle und die Unschuld des jungen Mädchens im Kontrast zur Erfahrung des Mannes. Storm fängt eine zarte Melancholie ein, die von der Erkenntnis der Zeit und der möglichen Entfaltung von Liebe und Sehnsucht geprägt ist. Die „tiefe Kluft“, die durch das Mädchen übersprungen werden kann, bezieht sich auf die möglichen Konsequenzen und Veränderungen, die durch eine Liebesbeziehung entstehen können.
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Lizenz und Verwendung
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