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Der Beamte

Von

Er reibt sich die Hände: »Wir kriegen′s jetzt!
Auch der frechste Bursche spüret
Schon bis hinab in die Fingerspitz′,
Daß von oben er wird regieret.

Bei jeder Geburt ist künftig sofort
Der Antrag zu formulieren,
Daß die hohe Behörde dem lieben Kind
Gestatte zu existieren!«

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Gedicht: Der Beamte von Theodor Storm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Beamte“ von Theodor Storm ist eine beißende Satire auf die Bürokratie und ihre ausufernde Regulierungswut, die im 19. Jahrhundert zunehmend Einzug in das öffentliche Leben hielt. Der Titel des Gedichts benennt bereits den Protagonisten: einen Beamten, der sich an der Macht der Ordnung und der Kontrolle berauscht. Sein Zitat, mit dem das Gedicht beginnt, offenbart seine Freude darüber, dass die Bürokratie sich nun in immer weitere Bereiche des Lebens ausdehnt und sogar die elementarsten menschlichen Erfahrungen, wie die Geburt, erfassen kann.

Die Sprache des Gedichts ist einfach und direkt, was den sarkastischen Ton noch verstärkt. Der Beamte spricht in einem fast triumphierenden Tonfall, der die Absurdität der Situation unterstreicht. Seine Aussage, „Wir kriegen’s jetzt!“, lässt auf eine gewisse Genugtuung über die erlangte Macht schließen. Die Vorstellung, dass selbst die Geburt reguliert werden soll, wirkt grotesk und zeigt, wie die Bürokratie jede natürliche Ordnung zu unterwerfen versucht. Die „hohe Behörde“, die über die Existenz eines Kindes zu entscheiden hat, wird hier als eine entmenschlichte Instanz dargestellt.

Die im Gedicht aufgestellte Forderung, für jede Geburt einen Antrag zu stellen, ist ein klarer Ausdruck der Überregulierung, die Storm kritisieren möchte. Dies verdeutlicht die ironische Übertreibung der Bürokratie bis zum Extrem. Die Bürokratie wird hier als ein System dargestellt, das sich selbst reproduziert und immer weiter ausdehnt, ohne Rücksicht auf die eigentlichen Bedürfnisse der Menschen. Die „frechsten Bursche“ stehen hier wohl für die Bürger, die sich dem Regime widersetzen.

Das Gedicht endet mit einem Ausblick auf die zukünftige totale Kontrolle. Der Beamte reibt sich die Hände in Erwartung weiterer Möglichkeiten, die Bürger zu reglementieren und zu kontrollieren. Storms Gedicht ist eine zeitlose Kritik an der Bürokratie und ihren Folgen für die Freiheit des Einzelnen. Es mahnt zur Vorsicht vor der Entmenschlichung durch übermäßige staatliche Kontrolle und ist damit auch heute noch von großer Aktualität.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.