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Am Aktentisch

Von

Da hab ich den ganzen Tag dekretiert;
Und es hätte mich fast wie so manchen verführt:
Ich spürte das kleine dumme Vergnügen,
Was abzumachen, was fertigzukriegen.

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Gedicht: Am Aktentisch von Theodor Storm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Am Aktentisch“ von Theodor Storm ist eine kurze, prägnante Reflexion über die Monotonie und die potenziell verlockende Wirkung von Routinearbeit. Es zeichnet ein Bild der Eintönigkeit und des vermeintlichen Glücks, das aus der Erledigung von Aufgaben erwachsen kann. Der Ich-Erzähler beschreibt einen ganzen Tag, der dem „Dekretieren“ gewidmet war, also dem Verfassen und Bearbeiten von Akten.

Der erste Vers etabliert sofort das Thema: die Ausübung einer Bürotätigkeit, die durch ihre Wiederholung und Eintönigkeit gekennzeichnet ist. Der zweite Vers enthüllt die subtile Gefahr, die in dieser Routinearbeit steckt. Der Erzähler erkennt, dass die Tätigkeit ihn „fast wie so manchen verführt“ hätte. Das legt nahe, dass die Verführung in der Arbeit darin besteht, sich von ihr vereinnahmen zu lassen und die Welt um einen herum zu vergessen. Diese mögliche Verführung wird durch die folgenden Zeilen verdeutlicht.

Die letzten beiden Zeilen offenbaren die innere Erfahrung des Erzählers. Er spürt „das kleine dumme Vergnügen“, das aus dem „Abmachen“ und „Fertigkriegen“ resultiert. Dieses „Vergnügen“ ist sowohl unbedeutend – „klein“ – als auch, in der Wahrnehmung des Erzählers, etwas „dumm“. Es handelt sich um das kurzfristige Befriedigungsgefühl, das aus dem Abarbeiten von Aufgaben und dem Erreichen von Zielen entsteht, aber ohne tieferen Sinn oder Wert.

Storms Gedicht fängt die Ambivalenz der Arbeitswelt ein. Es deutet auf die potenzielle Gefahr der Arbeitsbesessenheit hin, in der man sich im Hamsterrad der Routine verliert, wobei das „Fertigkriegen“ zur Triebfeder und zum Sinn des Lebens verkommt. Gleichzeitig zeigt es die menschliche Sehnsucht nach Ordnung und Erledigung. Durch die simple, direkte Sprache und die Kürze des Gedichts gelingt es Storm, eine tiefgründige Beobachtung über die menschliche Natur und die verführerische Kraft der Arbeit zu vermitteln.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.