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Auf die gelehrten Frauenzimmer

Von

Madrigal.

Ihr Männer bildet euch nicht ein,
Als ob Vernunft, Verstand, Gelehrsamkeit und aufgeklärter Sinn
Solt euer Eigenthum und Erbrecht seyn;
Nein! warlich, der das Firmament gesetzt,
Der hat das Frauen-Volk nichts minder hoch geschätzt:
Und ihnen auch Verstand und Witz verliehen.
Es soll wie ihr, des hohen Geistes Gaben,
Auch im Besitze haben.
Drum muß ihr Lorber-Zweig, so wie der eure blühen.
Zörnet, tobet, lästert, neidet immerhin,
Ihr werdt es doch nicht hindern können,
Ihr solt und müßt denselben doch die Ehre gönnen!
Drum bildet euch ihr Männer ja nichts ein!

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Gedicht: Auf die gelehrten Frauenzimmer von Sidonia Hedwig Zäunemann

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Auf die gelehrten Frauenzimmer“ von Sidonia Hedwig Zäunemann ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die intellektuelle Gleichberechtigung von Frauen im 18. Jahrhundert. Es ist ein klares Bekenntnis zur Emanzipation, das sich direkt an Männer richtet und deren Anspruch auf alleinige geistige Fähigkeiten in Frage stellt. Der Autorin gelingt es, ihre Botschaft mit Nachdruck und einer gewissen Ironie zu formulieren, was dem Gedicht eine besondere Note verleiht.

Im ersten Teil des Gedichts wird die zentrale These formuliert: Männer sollen sich nicht einbilden, dass Vernunft, Verstand und Gelehrsamkeit ihr ausschließliches Eigentum seien. Zäunemann argumentiert, dass Gott das Frauenvolk ebenso hoch geschätzt und ihm Verstand und Witz verliehen habe. Dieser theologische Ansatz verleiht ihrer Argumentation eine zusätzliche Autorität, indem er die Ungerechtigkeit der Diskriminierung von Frauen in einem göttlichen Rahmen verortet. Die Verwendung des Imperativs „bildet euch nicht ein“ deutet auf eine deutliche Abgrenzung vom herrschenden Patriarchat hin.

Der zweite Teil des Gedichts ist von einer gewissen trotzigen Haltung geprägt. Zäunemann räumt ein, dass Männer möglicherweise mit Zorn, Neid und Lästerei reagieren werden, aber sie betont, dass dies die Fähigkeit der Frauen, sich intellektuell zu entfalten, nicht aufhalten wird. Die Zeilen „Ihr werdt es doch nicht hindern können, / Ihr solt und müßt denselben doch die Ehre gönnen!“ sind von einem starken Selbstbewusstsein geprägt. Sie fordern die Männer indirekt auf, die intellektuelle Leistung der Frauen anzuerkennen und ihnen die gebührende Ehre zu erweisen, selbst wenn sie dies widerwillig tun.

Die Struktur des Gedichts, die Verwendung von Reimen und die klare rhetorische Struktur, machen es zu einem überzeugenden Statement. Zäunemanns Stil ist direkt und zielstrebig, ohne dabei die Eleganz des Madrigals zu vernachlässigen. Die Wahl dieses Genres, das oft für Liebesgedichte verwendet wurde, verleiht ihrer Botschaft eine subtile Ironie, indem sie die etablierten Formen des gesellschaftlichen Diskurses für ihre eigenen, progressiven Ziele einsetzt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht ein starkes und zeitloses Plädoyer für Gleichberechtigung ist, das auch heute noch relevant ist.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.