Ob zwar die falschen Zungen /
Die auf mich zu gedrungen /
Es schon so weit gebracht /
Das meiner Leyer Gaben
Ein zeitlang sind vergraben /
Und krafftloß schier gemacht.
So kan ich doch nicht lassen /
Die Feder itzt zu fassen /
Es werde / wie es woll;
Ach schad / daß die der Erden
So muß zur Beute werden /
Die erst recht leben sol!
Die Wangen sind verblichen /
Der warme Geist entwichen /
Der Stirne Fenster zu /
Kein Glidt ist / das sich räget /
Kein Puls der itzundt schläget /
Sie ruht dielange Ruh.
Ich hör / es sey groß Leiden /
Sich lieben und sich scheiden /
Drümb geht mich euwre Pein /
Herr Jäger selbst zu hertzen /
Eß krenckt mich euwer schmertzen /
Gerad / als wehr er mein.
Mich deucht / ich seh euch klagen /
Mich deucht / ich hör euch sagen:
Wo bleibt / wo bleibt mein Hort?
Wie sehr mögt ihr euch krencken?
Wie offt mögt ihr gedencken /
Und sprächen diese Wort:
Da pflag mein Licht zustehen /
Dort pflag sie bey mir gehen /
Hie stund sie bey der Thür /
Bald saß sie bey mir nieder /
Dan ging sie hin und wieder /
Nun kombt sie nicht herführ.
Das Hauß ist mirzu kleine /
Thu nichts / als daß ich weine /
Geh nicht mehr bey den Tisch;
Bey mir ist Tranck und Essen /
Und alle Lust vergessen /
Mir schmeckt nicht Fleisch noch Fisch.
Ach könnt ich dich verbannen /
Du Vater der Tyrannen /
Du Mutter vieler Noht!
Der Schellen kläglich klingen
Kanstu zu wege bringen /
Du hungeriger Tod!
Doch last euch gleichwol trösten /
Ob wohl die Noth am grösten
Eß kompt gewiß ein Tach /
An dem wir wieder kommen
Zu den′n / die uns genommen /
Wir folgen schleunigst nach.
Wohin ich mich auch wende /
Da naht es sich zum Ende /
Da frist der Krieg so viel /
Da liegen so viel Krancken /
Die in des Lebens Schrancken
Gelanget sind zum Ziel.
Ergebt euch Gottes Willen!
Dem Krancken sind die Pillen
Zwar bitter aber guth;
Das Creutz ist schwer zu führen /
Doch gleichwol kan man spüren /
Daß es uns nötig thut.
Drümb stopft den quel der Zehren
(Weil sie der noth nicht wehren)
Nur fein gedultig zu /
Sie weiß von keiner Quale;
Ist in des Himmels Sahle /
Undt lebt in stoltzer Ruh.
Auff Herrn J. Jägers Haußfrauen Seel=Absterben
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Auff Herrn J. Jägers Haußfrauen Seel=Absterben“ von Sibylla Schwarz ist eine bewegende Totenklage, die tiefes Mitgefühl und Trost in einer Zeit des Verlusts vereint. Es beginnt mit der Beschreibung des eigenen Zustands der Dichterin, die durch die „falschen Zungen“ zunächst verstummt war. Der Anlass des Gedichts, der Tod der Hausfrau von Herrn Jäger, reißt sie jedoch aus dieser Starre und lässt sie die Feder ergreifen, um ihre Trauer und Anteilnahme auszudrücken. Die Einleitung dient somit nicht nur der Einführung in das Thema, sondern auch der Hervorhebung der Dichterin als empathische Zeugin und Trösterin.
Der zentrale Teil des Gedichts ist der detaillierten Beschreibung des Todes der Hausfrau gewidmet. Schwarz zeichnet ein eindringliches Bild der Verwandlung von Leben zu Tod, von den „verblichenen Wangen“ und dem „entwichenen warmen Geist“ bis zur „langen Ruh“ und dem Stillstand aller Lebenszeichen. Diese detaillierte Schilderung erzeugt eine tiefe Trauer, die durch die anschließenden imaginären Worte Herrn Jägers noch verstärkt wird. Die Dichterin versetzt sich in seine Rolle, stellt seine Fragen und malen sein Leid in eindringlichen Bildern aus. Die Fragen nach dem „Hort“, dem „Licht“ und der Begleiterin im Alltag zeugen von dem tiefen Verlust und der Leere, die der Tod hinterlässt.
Der dritte Teil des Gedichts widmet sich dem Versuch, Trost zu spenden. Zunächst wird der Tod als „Vater der Tyrannen“ und „Mutter vieler Noht“ angeklagt, bevor ein Übergang zur Hoffnung erfolgt. Die Dichterin erinnert an das christliche Versprechen der Wiedervereinigung im Jenseits und ermutigt Herrn Jäger zur Geduld und zum Glauben an Gottes Willen. Sie vergleicht das Leid mit einer „bitteren“ Medizin und dem schweren Kreuz, das jedoch notwendig ist, um Trost und Erlösung zu finden. Das Gedicht endet mit der tröstenden Gewissheit, dass die Verstorbene in Frieden und „stoltzer Ruh“ im Himmel lebt, befreit von allem Leid.
Das Gedicht ist ein berührendes Beispiel für Barocklyrik, das sowohl die Trauer über den Tod als auch den Trost des christlichen Glaubens in den Mittelpunkt stellt. Schwarz verwendet bildreiche Sprache, um das Leid und die Sehnsucht nach der Verstorbenen zu vermitteln. Die Struktur des Gedichts folgt einer klaren Entwicklung von Klage, über die Beschreibung des Verlusts, zur Hoffnung und zum Trost. Es ist ein Zeugnis der menschlichen Fähigkeit, in Zeiten der Trauer Trost zu finden und Hoffnung auf ein ewiges Leben zu schöpfen.
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