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Am liebsten bey der Liebsten

Von

Zu Upatell / auff der Insel Riga / gemacht.

Schawt doch / wie lustig Leben
das auff den Dörffern ist?
Ich will die Stadt wohl geben
dem / der sie außerkießt.
Schawt / wie die Bluhmen stehen /
wie lieblich sie doch sind /
und fast im Haus auffgehen /
schawt / wie man Obst hier findt.
Hört / hört doch einmahl singen
die lieben Vögelein /
last ewre Laut erklingen /
und stimmet mit ihn ein.
Fühlt ihr der Sonnen Strahlen
in ewern Häusern nicht?
hier läst sie auff uns fallen
fast doppelt heisses Licht.
Schmeckt kecklich diese Früchte /
die hier beyn Bauren seyn etc.
Seht / wie die Kühe weiden!
und auch der Schaffen Schar /
ich will die Stadt wohl meiden /
so bin ich auß Gefahr.
So schreckt mich die Posaune /
das Spiel der Schwerdter nicht /
die grausame Kartaune
kompt nie mir ins Gesicht.
Ja / alles was ich finde
in Dörffern weit und breit /
der Hirsch / das Schaff / das Rinde /
der Wälder Zierligkeit /
Das ist weit vohrzuziehen
den Sachen in der Stadt /
da man sich muß bemühen
und wirds doch niemahl satt.
Was sag ich? Nach dem allen
frag ich nicht sonders vihl;
mir soll die Stadt gefallen /
dieweil ich gerne will
Die Lust im Grünen lassen /
mein Lieb / mein eigen Ich
ist hier nicht ümbzufassen /
die ich lieb inniglich.
Ist hier auff grühner Awen /
und bey der Schaffen Schaar
kein einig mahl zu schawen /
drümb hat eß hier Gefahr.
Ich will die Stadt nicht meiden /
Ich hab sie außerkiest;
kanst du dein Lieb nicht leiden /
so sey nicht / wo sie ist.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Am liebsten bey der Liebsten von Sibylla Schwarz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Am liebsten bey der Liebsten“ von Sibylla Schwarz feiert die Liebe und die Natur, während es gleichzeitig eine subtile Kritik an der Abkehr von der Stadt darstellt. Das Gedicht ist in einer Form von Lobgesang auf das Landleben gehalten, das die Idylle der ländlichen Umgebung hervorhebt und die Freuden der Natur, wie Blumen, Obst, Vogelgesang und das Sonnenlicht, preist. Der Sprecher scheint zunächst die Stadt verlassen zu wollen und zieht die Ruhe und Einfachheit des Landlebens den Mühen und dem Überdruss des Stadtlebens vor.

Die zweite Hälfte des Gedichts nimmt jedoch eine überraschende Wendung, als der Sprecher seine Liebe, die sich anscheinend in der Stadt befindet, in den Mittelpunkt stellt. Die anfängliche Begeisterung für das Landleben wird durch das dringende Bedürfnis nach der Geliebten relativiert. Dies unterstreicht die Überlegenheit der Liebe über die Freuden der Natur und die Bequemlichkeit der ländlichen Umgebung. Die Zeilen „Ich will die Stadt nicht meiden / Ich hab sie außerkiest; / kanst du dein Lieb nicht leiden / so sey nicht / wo sie ist“ sind der entscheidende Umschwung, der die wahre Präferenz des Sprechers offenbart. Die Stadt wird nicht mehr als Quelle der Qual, sondern als Ort, an dem die Geliebte verweilt, wahrgenommen.

Das Gedicht widerspricht der anfänglichen Entscheidung des Sprechers, indem es aufzeigt, dass die Liebe wichtiger ist als die Natur. Die strukturelle Wiederholung von „Ich will die Stadt wohl geben“ in den ersten Strophen, die sich im Laufe des Gedichts in eine gegenteilige Aussage wandelt, demonstriert die Entwicklung und das innere Ringen des Sprechers. Die Verse verdeutlichen die Vorrangstellung der Liebe vor allen anderen Freuden und legen nahe, dass das wahre Glück in der Gesellschaft der Geliebten zu finden ist, selbst wenn dies bedeutet, auf die Vorteile des Landlebens zu verzichten.

Die Sprache ist im Stil der Barockzeit gehalten, mit ihrer typischen Verwendung von Reimschemata und der Betonung bildreicher Sprache. Die detaillierten Beschreibungen der Natur dienen dazu, die ländliche Idylle zu veranschaulichen, während die plötzliche Hinwendung zur Liebe die emotionale Tiefe des Gedichts offenbart. Die Gegensätze zwischen Stadt und Land, Natur und Liebe sowie dem Verstand und dem Herzen werden hier meisterhaft ausgedrückt, um die Komplexität menschlicher Emotionen und Entscheidungen widerzuspiegeln. Schwarz verwebt somit auf kunstvolle Weise die Schönheit der Natur mit der alles überwindenden Kraft der Liebe.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.