Schwermut
Mir ist, wie wenn in einer Sommernacht
Die Menschen schweigsam in den Lauben sitzen.
Die Luft ist schwer. Ein Wolkenhimmel dacht
Sich über ihnen. Und die Fernen blitzen.
Sie fragen in die Höh: Kommt wohl ein Sturm?
Und legen spät sich und bekümmert schlafen.
Und lauschen oft gepresst, ob nicht vom Turm
Ihr Ohr im Halbschlaf Glockenklänge trafen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Schwermut“ von Hedwig Lachmann beschreibt eine Stimmung der Melancholie und der Erwartung, die in der Ruhe einer Sommernacht zum Ausdruck kommt. Die erste Strophe vermittelt ein Bild von Stille und Nachdenklichkeit: „Die Menschen schweigsam in den Lauben sitzen“, was eine Szene der Besinnung und vielleicht auch der Isolation schafft. Die „schwere Luft“ und der „Wolkenhimmel“, der sich über ihnen „dacht“, verstärken diese gedrückte, fast düstere Atmosphäre. Die „fernen Blitze“ könnten eine entfernte Bedrohung oder ein unbestimmtes Gefühl von Unruhe symbolisieren, das zwar nicht unmittelbar spürbar ist, aber dennoch vorhanden und wahrnehmbar bleibt.
In der zweiten Strophe wird das Bild weiter vertieft, als die Menschen fragen: „Kommt wohl ein Sturm?“ Diese Frage deutet auf die Unsicherheit und die Furcht vor etwas Unbestimmtem hin. Der Sturm könnte hier metaphorisch für eine Veränderung oder eine innere Unruhe stehen, die die Protagonisten zwar erwarten, aber noch nicht in ihrer vollen Kraft erfahren haben. Sie „legen sich spät und bekümmert schlafen“, was auf die Schwere des Geistes und die Unfähigkeit hinweist, wirklich zur Ruhe zu kommen. Die Melancholie ist greifbar, und die Frage nach dem Sturm bleibt unbeantwortet, was die ungelöste Spannung verstärkt.
Das Bild des „Halbschlafs“ und des „Lauschens“, ob nicht vom Turm „Glockenklänge trafen“, verstärkt das Gefühl der inneren Zerrissenheit. Die Sprecherin vermittelt das Bild eines Menschen, der in der Nacht zwischen Wachsein und Schlafen hin- und hergerissen ist, auf der Suche nach einem Klang oder einer Antwort, die jedoch nie ganz greifbar wird. Die Glockenklänge könnten eine Metapher für eine göttliche oder endgültige Antwort auf die ungelösten Fragen und die innere Unruhe sein, die jedoch nicht eintreffen.
Das Gedicht „Schwermut“ fängt eine tiefe, existenzielle Unruhe ein – eine Sehnsucht nach Veränderung und Antwort, die jedoch nicht erfüllt wird. Lachmann gelingt es, mit wenigen, prägnanten Bildern eine Atmosphäre der Erwartung und des inneren Konflikts zu schaffen, die zugleich universelle Themen wie das Warten auf eine Erlösung und die Melancholie des Lebens anspricht.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.