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Der Tod der Geliebten

Von

Er wußte nur vom Tod was alle wissen:
daß er uns nimmt und in das Stumme stößt.
Als aber sie, nicht von ihm fortgerissen,
nein, leis aus seinen Augen ausgelöst,

hinüberglitt zu unbekannten Schatten,
und als er fühlte, daß sie drüben nun
wie einen Mond ihr Mädchenlächeln hatten
und ihre Weise wohlzutun:

da wurden ihm die Toten so bekannt,
als wäre er durch sie mit einem jeden
ganz nah verwandt; er ließ die andern reden

und glaubte nicht und nannte jedes Land
das gutgelegne, das immersüße –
Und tastete es ab für ihre Füße.

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Gedicht: Der Tod der Geliebten von Rainer Maria Rilke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Tod der Geliebten“ von Rainer Maria Rilke thematisiert die Erfahrung des Verlusts und die veränderte Wahrnehmung des Todes durch die Trauer. Es beginnt mit der konventionellen Vorstellung vom Tod, die jeder kennt – dem Abschiednehmen und dem Eintritt in die Stille. Der erste Vers etabliert ein allgemeines Verständnis des Todes als etwas, das uns wegnimmt.

Der Wendepunkt des Gedichts ist der Moment, in dem die Geliebte nicht einfach entrissen wird, sondern „leis aus seinen Augen ausgelöst“ in die Schattenwelt gleitet. Diese subtile Formulierung suggeriert einen sanften Übergang und eine tiefere Verbundenheit, als es ein gewaltsames Wegreißen vermuten ließe. Der zweite Teil des Gedichts beschreibt, wie die Trauer den Blick des Sprechers verändert: Er nimmt an, dass die Geliebte in der anderen Welt ihr freundliches Wesen beibehalten hat und nun „wie einen Mond ihr Mädchenlächeln hatten“.

Durch den Verlust erfährt der Sprecher eine neue Vertrautheit mit den Toten. Er fühlt sich ihnen nahe und verwandelt, was ihn dazu bringt, das Reden der anderen, die tröstende Worte finden wollen, zu ignorieren. Er glaubt nicht an das, was sie sagen, sondern beginnt, die Welt anders zu betrachten. Er nennt jedes Land, das er sieht, „das gutgelegne, das immersüße“, und tastet es „ab für ihre Füße“. Dies ist eine Metapher für die Suche nach einem Ort, an dem sie sich wohlfühlen könnte, und für die Hoffnung, dass sie in der anderen Welt glücklich ist.

Insgesamt ist das Gedicht eine Meditation über die Trauer, die Veränderung der Wahrnehmung und die Suche nach Trost im Angesicht des Todes. Rilke beschreibt die Transformation, die durch den Verlust ausgelöst wird, und die Entwicklung eines tiefen Mitgefühls und einer neuen Verbundenheit mit den Toten, die über die konventionellen Vorstellungen hinausgeht. Das Gedicht endet mit einer tiefen Sehnsucht und dem Wunsch, einen Ort zu finden, an dem die geliebte Person Frieden finden kann.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.