Nächtige Seefahrt
Die Winde sind von einem Möwen-Dutzend
Geschwänzt und schlagen durch die Luft, dumpf, pfeifend.
Und hart herrollend, seltsam vorwärtsgreifend,
Zerbraust das Meer, der Riffe Rücken putzend.
Es klatscht das Segel, patscht das Ruderblatt.
Die gleichen Wogen streifen, weichen vorn
Und fallen hinten, wo der Möwen Zorn
Sie schmäht, matt, hingemäht, ins glatte Schwad.
Dann steift der Wind. Er gibt die Brise doppelt
Und schmeißt die hellen Wasserhaufen steiler,
Wie ein Pikeur die Meute noch gekoppelt
Voll Gier losläßt; allein der starke Keiler
Stockt, steht, stößt einmal in die Runde
Entblößter Zahnreihn und zerfetzt die Hunde.
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Nächtige Seefahrt“ von Paul Boldt beschreibt in expressiver Sprache die Atmosphäre einer nächtlichen Seefahrt, wobei der Fokus auf der Darstellung der Naturgewalten und der damit verbundenen Dramatik liegt. Die sprachliche Gestaltung ist von einer intensiven Bildsprache geprägt, die durch Verben wie „schlagen“, „zerbraust“ und „schmäht“ die Gewalt des Meeres und des Windes sinnlich erfahrbar macht. Der Autor verwendet zahlreiche Metaphern und Vergleiche, um die Bewegung und die Zerstörungswut der Elemente zu verdeutlichen.
Die ersten acht Zeilen zeichnen ein Bild des stürmischen Meeres, das durch den Wind und die Wellen in Bewegung versetzt wird. Der „Möwen-Dutzend“, das die Winde „geschwänzt“, deutet auf die Heftigkeit des Windes und die begleitenden Möwen hin. Die Beschreibung des Meeres als „Riffe Rücken putzend“ verleiht der Szene eine aggressive Note. Die sich wiederholenden Geräusche des Segels und des Ruderblatts, „klatscht“ und „patscht“, verstärken den Eindruck der Unaufhaltsamkeit der Naturgewalten. Die Möwen, die „Zorn“ gegen die Wellen ausüben, geben der Szene eine zusätzliche Dimension der Wildheit.
In der zweiten Strophe wird die Intensität des Windes noch gesteigert, indem er die Brise „doppelt“ gibt und die Wasserhaufen „steiler“ schmeißt. Hier kommt ein Vergleich mit einem Pikeur, der eine Meute Hunde hetzt, zum Einsatz. Dieser Vergleich verstärkt die Vorstellung von der unbändigen Kraft des Windes und der Wellen, die wie wild gewordene Tiere agieren.
Die letzte Strophe bildet einen dramatischen Höhepunkt. Der „starke Keiler“, ein Wildschwein, steht symbolisch für die Naturgewalt. Dieser Keiler, der gegen die „Hunde“, die Hunde hier die Wellen, kämpft, steht still und reißt die Hunde in Stücke. Diese Bilder sprechen für die zerstörerische Kraft der Natur. Die Verwendung von Bildern aus der Tierwelt und die Darstellung eines Kampfes erzeugt eine Spannung und unterstreicht die rohe Gewalt der Szenerie. Boldt gelingt es, die Dynamik und die beängstigende Schönheit der Nacht auf See auf eindringliche Weise zu vermitteln.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.